Gilbert, Elizabeth
Baums«
müsse ich wegwerfen, dann die Wurzeln ausgraben und zu einer Schüssel »wie
einen Swimmingpool« ausschaben. Dann müsse ich ein Stück Holz über diese
Höhlung legen, damit weder Regenwasser noch Tau hineingelangen. Und wenn ich
dann nach ein paar Tagen wiederkäme, würde ich feststellen, dass sich der »Swimmingpool«
mit der nährstoffreichen Flüssigkeit der Bananenwurzel gefüllt hat, die ich
dann in Flaschen sammeln und zu Wayan bringen müsse. Sie würde den
Bananenwurzelsaft im Tempel für mich segnen und ihn mir anschließend Tag für
Tag in die Kopfhaut einmassieren. Und innerhalb weniger Monate hätte ich dann
wie Wayan einen dichten glänzenden Haarschopf, der mir bis zum Hintern reicht.
»Auch wenn du Glatze hast«, meinte sie, »davon du kriegst
Haare.«
»Wie soll ich denn ganz allein einen Bananenbaum fällen?«,
fragte ich sie. »Hast du nicht irgendwelche magischen Haarwuchspillen, die du
mir stattdessen geben könntest?«
Sie seufzte. »Westler wollen immer nur Pillen.«
Während wir redeten, setzte sich Tutti, die gerade von der
Schule heimgekehrt war, auf den Boden und zeichnete ein Haus. Seit einiger Zeit
zeichnet Tutti vor allem Häuser. Sie brennt darauf, ein eigenes Haus zu haben.
Im Hintergrund ihrer Bilder sind stets ein Regenbogen und eine lächelnde
Familie zu sehen - samt Vater und allem Drum und Dran.
Und was treiben wir den ganzen Tag in Wayans Laden? Tutti
malt Bilder und Wayan und ich erzählen uns den neuesten Tratsch und necken
einander. Wayan besitzt einen etwas derben Humor, spricht andauernd über Sex,
zieht über mein Single-Dasein her, spekuliert über die »Ausstattung« sämtlicher
Männer, die an ihrem Laden vorbeigehen. Immer wieder erzählt sie mir, dass sie
jeden Abend zum Tempel gehe und für mich bete, damit ein guter Mann in mein
Leben trete und mein Liebhaber werde.
»Nein, Wayan«, sagte ich an diesem Morgen wieder zu ihr,
»ich brauche das nicht. Man hat mir schon zu oft das Herz gebrochen.«
»Ich kenne Kur für gebrochene Herz«, meinte sie darauf.
Und wie eine diensteifrige Arztin zählte sie an den Fingern die sechs Punkte
ihrer hundertprozentig erfolgreichen Heilbehandlung für gebrochene Herzen auf:
»Vitamin E, viel schlafen, viel Wasser trinken, an Ort weit weg von Geliebte
reisen, meditieren und lernen, dass genau so ist Schicksal.«
»Abgesehen von der Vitamin-E-Einnahme habe ich das alles
schon gemacht.«
»Dann du geheilt. Und jetzt du brauchst neue Mann. Ich
bring dir eine, ich bete.«
»Nun, ich bete nicht um einen neuen Mann, Wayan, das
Einzige, worum ich zurzeit bete, ist innerer Frieden.«
Wayan verdrehte die Augen, als wolle sie sagen: Ja, schon
gut, sag, was du willst, du komisches, ungefüges weißes Huhn, und sagte
dann: »Weil du hast schlimme Problem mit Gedächtnis. Du erinnerst nicht, wie
schön ist Sex. Auch ich hatte schlimme Problem mit Gedächtnis, als ich war
verheiratet. Immer wenn ich schöne Mann auf der Straße sehe, ich vergesse, ich
habe Mann zu Hause.«
Sie bog sich vor Lachen. Dann fasste sie sich wieder und
meinte abschließend: »Jeder braucht Sex, Liz.«
In diesem Augenblick kam, strahlend wie ein Leuchtturm,
eine umwerfend aussehende Frau in den Laden spaziert. Tutti sprang auf und
lief ihr entgegen, wobei sie «Armenia! Armenia! Armenia!« schrie - was sich
als der Name dieser Besucherin erwies und nicht etwa als nationalistischer Schlachtruf.
Ich stellte mich Armenia vor, und sie erzählte mir, dass sie aus Brasilien
komme. Sie war unglaublich dynamisch, diese Frau - so brasilianisch. Sie war
elegant gekleidet, charismatisch, einnehmend und von unbestimmbarem Alter -
und ungeheuer sexy.
Auch Armenia ist eine Freundin von Wayan, die häufig zum
Lunch in den Laden kommt sowie zu diversen traditionellen Heil- und
Schönheitsbehandlungen. Sie setzte sich und klönte etwa eine Stunde lang mit
uns. Sie ist nur noch für kurze Zeit auf Bali, ehe sie wieder nach Afrika
fliegt oder vielleicht auch nach Thailand, um sich dort um ihre Geschäfte zu
kümmern. Wie sich herausstellt, hat Armenia in ihrem Leben nur sehr, sehr wenig
Glamour erlebt. Früher einmal arbeitete sie für den UN-Hochkommissar für
Flüchtlinge. In den Achtzigern schickte man sie als Friedensunterhändlerin in
den Dschungel von El Salvador und Nicaragua, damit sie dort während der
Hochphasen des Krieges unter Einsatz ihrer Schönheit, ihres Charmes und ihrer
Intelligenz die Generäle und Rebellen überredete, auf die Stimme der
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