Gilbert, Elizabeth
die absolute Katastrophe, kann weder tanzen noch Fußball
noch ein Instrument spielen.« Aus irgendeinem Grund erwiderte ich: »Mag schon
sein. Aber ich habe den Eindruck, Sie gäben einen prima Casanova ab.« Und dann
geriet für einen langen Moment die Zeit ins Stocken, während wir uns ansahen,
als wollten wir sagen: Das ist ja wirklich ein
interessanter Gedanke. Die Keckheit meiner Behauptung
erfüllte die Luft wie ein Parfüm. Er widersprach mir nicht. Ich schaute als
Erste weg, da ich spürte, dass ich errötete.
Seine feijoada jedenfalls
war erstaunlich. Üppig, würzig und gehaltvoll - all das, was balinesisches
Essen in der Regel vermissen lässt. Ich aß einen Teller Schweinefleischeintopf
nach dem anderen und entschied, dass es nun offiziell war: Ich kann niemals
Vegetarierin werden, nicht, solange es solches Essen gibt. Und danach gingen
wir tanzen im örtlichen »Nachtklub«. Er ähnelte eher einer Strandhütte,
allerdings ohne Strand. Es gab eine Live-Band, die guten Reggae spielte, und
die Barbesucher waren eine Mischung aller Altersklassen und Nationalitäten,
hier ansässige Ausländer, Touristen und Einheimische, hinreißende balinesische
Jungs und Mädchen, die alle frei und unbefangen tanzten. Armenia war nicht
mehr mitgekommen. Sie müsse am nächsten Tag arbeiten, hatte sie gemeint, aber
der attraktive ältere Brasilianer hatte mich eingeladen. Er tanzte gar nicht
so schlecht, wie er behauptet hatte. Wahrscheinlich kann er auch Fußball
spielen. Ich hatte ihn gern um mich, ließ mir bereitwillig gefallen, dass er
mir Türen öffnete, Komplimente machte, mich »Darling« nannte. Dann allerdings
fiel mir auf, dass er alle so nannte - sogar den Barkeeper ...
Ich war schon so lange nicht mehr in einer Bar gewesen.
Nicht einmal in Italien hatte ich Bars besucht, und auch in den Jahren mit
David war ich nicht viel ausgegangen. Und getanzt hatte ich zum letzten Mal,
als ich noch verheiratet war ..., glücklich verheiratet,
um genau zu sein. Lieber Gott, das war ja eine Ewigkeit her. Auf der Tanzfläche
traf ich meine Freundin Stefania, eine lebhafte junge Italienerin, die ich
kurz zuvor in einem Meditationskurs in Übud kennen gelernt hatte, und wir
tanzten miteinander, fröhlich im Kreis wirbelnd. Irgendwann nach Mitternacht
hörte die Band auf zu spielen, und die Leute kamen miteinander ins Gespräch.
Und da traf ich dann diesen Typen, der Ian hieß. Oh, er gefiel
mir. Ich mochte ihn sofort. Er war äußerst attraktiv, eine Mischung aus Sting
und jüngerem Bruder von Ralph Fiennes. Ian war Schotte, hatte also diesen
herrlichen Akzent. Er war eloquent, gescheit, stellte Fragen, unterhielt sich
mit meiner Freundin Stefania in demselben kindlichen Italienisch, das auch ich
spreche. Wie sich herausstellte, war er der Drummer dieser Reggae-Band, spielte
die Bongos - weshalb ich ihn scherzhaft als »Bongoliere« bezeichnete, in Anlehnung
an die gondolieri in Venedig, und irgendwie hatten
wir sofort einen Draht zueinander und lachten und redeten.
Dann kam Felipe, der Brasilianer, zu uns herüber. Er lud
uns alle in ein abgefahrenes Restaurant ein, das Europäern gehörte, ein
wahnsinnig freizügiger Laden, in dem angeblich rund um die Uhr Bier
ausgeschenkt und Unterhaltung geboten wurde. Ich ertappte mich dabei, dass ich
zu Ian hinüberschielte (hatte er Lust?), und als er die Einladung annahm,
sagte auch ich zu. Also gingen wir alle zu besagtem Restaurant, und ich saß
neben Ian, und wir redeten und scherzten die ganze Nacht, und, oh, ich mochte
den Kerl wirklich. Er war der erste Mann seit langem, den ich - wie man so schön
sagt - 50 mochte. Er
war ein paar Jahre älter als ich, hatte bis dato ein höchst interessantes Leben
geführt (mochte die Simpsons, hatte die ganze Welt bereist, mal in einem Ashram
gelebt, redete über Tolstoi, schien einen Job zu haben und so weiter). Begonnen
hatte er seine Laufbahn als Bombenexperte in der britischen Armee in
Nordirland, um dann internationaler Spezialist für die Entschärfung von Minen
zu werden. Er hat Flüchtlingslager in Bosnien errichtet und gönnt sich jetzt
in Bali eine Pause, um musikalisch was auf die Beine zu stellen - was alles
sehr verlockend klang.
Ich konnte kaum fassen, dass ich um halb vier morgens
hellwach war, und nicht etwa, weil ich meditierte! Ich war wach, trug ein
hübsches Kleid und unterhielt mich mit einem attraktiven Mann. Als wir uns
verabschiedeten, fragte Ian mich nach meiner Telefonnummer, und ich erwiderte,
dass ich zwar
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