Gilbert, Elizabeth
schleppend:
»Manno-mann, Moskitos hat's hier, groß genug, um sich an 'ner Henne zu
vergehen.«
Ladys und Gentlemen, Richard aus Texas ist eingetroffen.
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Von den vielen Jobs, die Richard aus Texas in seinem Leben
schon hatte, sei hier nur eine kleine Auswahl genannt: Ölarbeiter, Lkw-Fahrer,
erster Birkenstock-Händler in den Dakotas, Sackschüttler auf einer Mülldeponie
(tut mir Leid, aber ich hab hier wirklich nicht die Zeit zu erklären, was ein
Sackschüttler ist), Straßenarbeiter, Gebrauchtwagenhändler, Soldat in Vietnam,
»Waren«-Händler (wobei es sich bei der Ware in der Regel um Drogen handelte), Junkie
und Alkoholiker (falls man das als Beruf bezeichnen kann), dann gebesserter Junkie und Alkoholiker (schon sehr viel respektabler), Hippie-Farmer
in einer Kommune, Radio-Kommentator und schließlich ein geachteter und
erfolgreicher Händler mit medizinischem High-End-Equipment (bis seine Ehe
zerbrach, er alles seiner Ex überließ und »sich wieder den bankrotten weißen
Arsch kratzte«). Inzwischen renoviert er alte Häuser in Austin.
»Einen richtigen Beruf hatte ich im Grunde nie«, sagt er.
»Musste mich eigentlich immer irgendwie durchschlagen.«
Richard aus Texas ist keiner, der sich in Grübeleien verliert.
Neurotisch würde ich ihn nicht nennen, no Sir. Ich bin es
allerdings schon ein bisschen, deshalb schließe ich ihn zunehmend ins Herz.
Dass Richard hier in diesem Ashram ist, gibt mir ein Gefühl von Sicherheit, das
mich amüsiert. Die gewaltige Zuversicht, die er ausstrahlt, verscheucht meine Nervosität
und erinnert mich daran, dass letztlich alles gut wird. (Und wenn nicht gut,
dann wenigstens amüsant.) Erinnern Sie sich noch an den Comic-Gockel Foghorn Leghorn?
Nun, Richard hat eine gewisse Ähnlichkeit mit ihm, und ich werde allmählich zu
seinem geschwätzigen kleinen Kumpan, dem Hühnerhabicht. Oder in Richards
eigenen Worten: »Ich und Groceries sind die ganze verdammte Zeit am Lachen.«
Groceries - Lebensmittel.
Das ist der Spitzname, den Richard mir gegeben hat. Schon
am Abend, als wir uns kennen lernten und er sah, wie viel ich verdrücken kann,
hat er ihn mir verpasst. Ich versuchte, mich zu verteidigen (»Ich habe bewusst
langsam gegessen!«), aber der Name blieb mir.
Vielleicht wirkt Richard aus Texas nicht wie ein typischer
Yogi. Aber meine Zeit in Indien hat mich bei der Beurteilung dessen, was einen
typischen Yogi ausmacht, vorsichtiger werden lassen. (Von dem Milchbauern aus
dem ländlichen Irland, den ich vorgestern getroffen habe, oder der ehemaligen
Nonne aus Südafrika will ich gar nicht erst reden.) Richard ist zu diesem Yoga
durch eine Exfreundin gekommen, die ihn von Texas bis zum New Yorker Ashram chauffierte,
damit er unsere Meisterin reden hören konnte. »Der Ashram«, sagt Richard, »war
für mich das Schrägste, was ich je erlebt hatte, und ständig hab ich mich
gefragt, wo wohl das Zimmer ist, in dem sie dir dein ganzes Geld abknöpfen und
du ihnen die Besitzurkunde für dein Haus aushändigen musst...«
Nach dieser Erfahrung, die etwa zehn Jahre zurücklag, ertappte
sich Richard immer wieder beim Beten. Seine Gebete kreisten immer um dasselbe.
Immer wieder bekniete er Gott: »Bitte, bitte, bitte öffne mein Herz.« Mehr
wollte er nicht - nur ein offenes Herz. Und sein Gebet um ein offenes Herz beendete
er stets mit der Bitte: »Und gib mir ein Zeichen, wenn es so weit ist.« Heute
sagt er in der Erinnerung an diese Zeit: »Pass auf, worum du betest, Groceries,
denn vielleicht kriegst du's ja.« Nachdem Richard ein paar Monate lang ständig
um ein offenes Herz gebetet hatte, bekam er ..., raten Sie mal, was. Genau!
Eine Notoperation am offenen Herzen. Sein Brustkorb wurde buchstäblich
aufgeknackt, die Rippen klafften auseinander, damit endlich ein bisschen
Tageslicht in sein Herz fiel, als ob Gott sagen wollte: »Na, was sagst du zu
meinem Zeichen?« Inzwischen sei er mit seinen Gebeten vorsichtiger geworden.
»Wann immer ich heutzutage um etwas bete, sage ich zum Abschluss: >Oh, und
noch was, Gott! Bitte sei nett zu mir, okay?<«
»Was soll ich an meiner Meditationspraxis ändern?«, frage
ich Richard eines Tages, als er mir beim Tempel-Schrubben zuschaut. (Er hat
Glück - er arbeitet in der Küche und muss sich erst eine Stunde vor dem
Abendessen dort blicken lassen. Aber er sieht mir gerne beim Schrubben des
Tempelbodens zu. Er findet es lustig.)
»Warum musst du was ändern, Groceries?«
»Weil ich sauschlecht bin.«
»Wer sagt
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