Gilbert, Elizabeth
das?«
»Meine Gedanken geben einfach keine Ruhe.«
»Denk an das, was die Meisterin uns gesagt hat: Wenn du
dich hinsetzt in der reinen Absicht, zu meditieren, geht dich, was danach
passiert, nichts mehr an. Warum verurteilst du also deine Erfahrung?«
»Weil das, was mir beim Meditieren passiert, unmöglich
sein kann, worum es bei diesem Yoga geht.«
»Groceries, Süße - du hast ja keine Ahnung, was sich
da drinnen abspielt.«
»Ich habe nie Visionen, nie irgendwelche Transzendenzerlebnisse
... «
»Willst du hübsche Farben sehen? Oder willst du die
Wahrheit über dich wissen? Worum geht's dir?«
»Anscheinend streite ich mich, wenn ich zu meditieren
versuche, nur mit mir selbst.«
»Das ist bloß dein Ego, das alles unter Kontrolle behalten
will. Dein Ego macht nämlich Folgendes: Es bewirkt, dass du dich isoliert und
gespalten fühlst, versucht dir weiszumachen, dass du unzulänglich und kaputt
und allein bist statt ganz und heil.«
»Aber was bringt mir das?«
»Nichts bringt es dir. Dein Ego ist nicht da, um dir was
zu bringen. Es ist nur dazu da, um sich an der Macht zu halten. Und zurzeit
steht es Todesängste aus, weil es nämlich demnächst eins auf den Deckel
kriegen soll. Mach weiter so, Süße, und die Tage dieses Schurken sind gezählt.
Nicht mehr lange, dann ist dein Ego arbeitslos, und dein Herz trifft alle
Entscheidungen. Dein Ego kämpft also um sein Leben, treibt seine Spielchen mit
deinem Geist, versucht, sich zu behaupten, will dich in einen Zwinger und vom
Rest des Universums wegsperren. Ignorier es einfach!«
»Und wie macht man das?«
»Schon mal versucht, einem Zweijährigen sein Spielzeug
wegzunehmen? Das mögen Kinder in dem Alter nicht. Da treten sie und schreien.
Die beste Methode, einem Kind sein Spielzeug wegzunehmen, ist Ablenkung. Es auf
andere Gedanken zu bringen. Gib deinem Geist was Besseres zu spielen, statt dir
bestimmte Gedanken zu verbieten. Etwas Gesünderes.«
»Zum Beispiel?«
»Zum Beispiel Liebe, Groceries. Zum Beispiel reine göttliche
Liebe.«
45
Der tägliche Aufenthalt in der Meditationshöhle sollte ja
eigentlich die Zeit der Zwiesprache mit dem
Göttlichen sein, aber neuerdings schrecke ich davor zurück, wie es mein Hund
immer tat, wenn wir die Tierarztpraxis betraten (denn egal, wie freundlich dort
alle waren, er wusste, dass letztlich alles auf einen unsanften Stoß mit einem
medizinischen Gerät hinauslief). Aber nach meinem letzten Gespräch mit Richard
aus Texas werde ich heute Morgen mal etwas Neues ausprobieren. Ich nehme die
Meditationshaltung ein und sage zu meinem Geist: »Hör zu. Ich weiß, dass du ein
bisschen Angst hast. Aber ich verspreche dir, dich nicht in die Pfanne zu
hauen. Ich will dir nur eine Erholungspause verschaffen. Ich liebe dich.«
Zwei Tage zuvor hatte mir ein Mönch verraten: »Das Herz
ist der Erholungsort des Geistes. Das Einzige, was der Geist den lieben langen
Tag zu hören bekommt, sind dröhnende Glocken und Lärm und Gezänk, obwohl er
sich doch nach nichts anderem sehnt als nach Ruhe. Und der einzige Ort, an dem
der Geist je Frieden finden kann, liegt in der Stille des Herzens. Da musst du
hingehen.«
Ich probiere nun auch ein anderes Mantra aus. Eines, mit
dem ich in der Vergangenheit Glück hatte. Es ist ganz einfach, besteht nur aus
zwei Silben:
Ham-sa.
Im Sanskrit bedeutet es: »Ich bin Das.«
Ham-sa, sagen die Yogis, sei das
natürlichste Mantra - das Mantra, das uns Gott schon vor unserer Geburt
geschenkt hat. Denn Ham-sa ist das
Geräusch unseres Atems. Harn beim
Einatmen, Sa beim Ausatmen. Solange wir leben,
wiederholen wir es mit jedem Atemzug. Ich bin Das. Ich bin göttlich, ich bin
bei Gott, ich bin ein Ausdruck des Göttlichen, ich bin nicht isoliert, nicht
allein. Ham-sa fand ich immer leicht und
entspannend. Viel leichter zum Meditieren als Om Namah
Shivaya, das »offizielle« Mantra dieses Yogas. Aber ich hab mich
vorgestern mit besagtem Mönch unterhalten, und er riet mir, ich solle einfach Ham-sa verwenden,
wenn es mir beim Meditieren helfe. »Meditier auf alles«, meinte er, »was eine
Revolution in dir auslöst.«
Also sitze ich heute mit ihm da.
Ham-sa.
Ich bin Das.
Gedanken kommen, aber ich beachte sie nicht weiter, außer
dass ich sie auf fast mütterliche Weise abwimmle: »Oh, euch Scherzkekse kenn
ich ... Geht raus zum Spielen ... Marni muss Gott zuhören.«
Ham-sa.
Ich bin Das.
Ich döse eine Weile - oder was auch immer. (Beim Meditieren
weiß man nie so genau, ob
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