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Gilde der Jäger 01 - Engelskuss

Gilde der Jäger 01 - Engelskuss

Titel: Gilde der Jäger 01 - Engelskuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N. Singh
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hervorgeholt und es auf die Glastür gerichtet. Ihre Hand war ganz ruhig, auch wenn ihr das Adrenalin durch die Adern rauschte. Durch die hauchzarten Gardinen hindurch suchte sie den Balkon ab. Zwar sah sie niemanden, doch nur ein sehr dummer Jäger würde jetzt seine Deckung aufgeben. Elena war nicht dumm. Sie stand auf, ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, dass sie lediglich ein weißes Trägertop und minzgrüne, winzige Shorts trug, die an den Seiten hoch geschlitzt und mit hübschen rosa Bändern versehen waren.
    Aufmerksam sah sie hinaus, während sie mit der freien Hand die Gardinen langsam zur Seite zog. Jetzt hatte sie den Balkon vollständig im Blick. Von einem wutschnaubenden Vampir war nichts zu sehen. Diese Kreaturen konnten sowieso nicht fliegen, doch einmal hatte sie gesehen, wie drei von ihnen an einem Hochhaus hochgeklettert waren, als seien sie vierbeinige Spinnen. Sie hatten es damals aus Spaß gemacht, aber wenn sie es gekonnt hatten, konnten es andere auch.
    Sie vergewisserte sich noch einmal.
    Kein Vampir. Auch kein Engel.
    Langsam wurde ihr der Arm von der Waffe schwer, doch noch durfte ihre Aufmerksamkeit nicht nachlassen. Stattdessen suchte sie auch die hintersten Winkel ihres Balkons noch genauer ab. Draußen standen ziemlich viele Pflanzen, einschließlich Kletterpflanzen, die von dem gebogenen Dach herunterhingen, das sie hatte anbauen lassen. Eigentlich war sie immer ziemlich darauf bedacht, dass keine davon ihr die Sicht auf die Brüstung nahm. Sollte sich irgendjemand daran festhalten, würde sie zumindest die Fingerspitzen sehen.
    Darüber hinaus würde jeder Eindringling Spuren auf dem Gel hinterlassen, das sie jede Woche versprühte. Das Zeug wurde extra für Jäger hergestellt und kostete so viel wie ein Arm, ein Bein und eine Niere zusammen, war dafür aber eine äußerst wirksame Methode, Eindringlinge aufzuspüren. Normalerweise passte es sich farblich der Oberfläche an, doch sobald es durch die Berührung eines Vampirs, Menschen oder Engels aktiviert wurde, verwandelte es sich in leuchtendes Rot.
    Das Gel war unberührt, und sie witterte auch keinen Vampir.
    Ihre Anspannung ließ ein wenig nach. Dann warf sie einen raschen Blick auf den Boden. Überrascht zog sie die Augenbrauen in die Höhe. Neben ihren üppig wachsenden roten Begonien lag eine Rohrpost aus Plastik. Die Stiele der Begonien waren leicht umgeknickt. Wenn derjenige, der die Post hatte fallen lassen, ihren Pflanzen, die sie ungeachtet des kühlen Spätsommers liebevoll hochgepäppelt hatte, auch nur ein Haar gekrümmt hatte, würde er in der Hölle dafür bezahlen. Endlich hatte sie sich überzeugt, dass die Luft rein war, und öffnete die Tür.
    Der leichte Wind trug die Geräusche der pulsierenden Stadt zu ihr, sonst nichts.
    Selbst jetzt war sie noch sehr vorsichtig, als sie den Fuß hinausstreckte und das Röhrchen zu sich hin schob.
    Sie hatte es schon fast in der Wohnung, als sie eine Feder entdeckte, die langsam nach unten trudelte, um dann sanft auf einem Farn zu landen. Sie stieß die Röhre in die Wohnung und richtete die Waffe auf das Dach– der Typ, von dem sie es sich hatte bauen lassen, hatte sie für verrückt gehalten, dass sie auch nur einen Teil ihres Ausblicks dafür opfern wollte; offenbar hatte er sich nie Gedanken über einen Angriff von oben gemacht.
    Gewiss war ihr Blickfeld damit etwas eingeschränkt, aber auf diese Weise konnte sie niemand überraschend von oben angreifen– offenbar verließ sie sich zu sehr auf diesen Schutzschirm, sonst wäre ihr dieser ungebetene Besucher nicht entgangen. Das würde ihr nicht noch einmal passieren.
    »Die Munition haut durch Stein, ganz zu schweigen von der billigen Imitation, auf der Sie sitzen«, rief sie. »Kommen Sie, verdammt noch mal, da runter, bevor das Dach einstürzt.«
    Sofort war ein Schlagen von Flügeln vernehmbar. Eine Sekunde später starrte sie in ein gerötetes, auf dem Kopf stehendes Engelsgesicht. Überrascht riss sie die Augen auf. Sie hatte garnicht gewusst, dass Engel das konnten. »Sind Sie der Botenjunge? Drehen Sie sich mal richtig herum, mir wird ganz schwindelig.«
    Der Engel nickte und drehte sich um hundertachtzig Grad. Mit den niedlichen Pausbacken und den blonden Löckchen sah er aus wie einer jener mythischen Cherubim, die die Maler der Renaissance mit Vorliebe dargestellt hatten.
    »Verzeihung. Ich habe noch nie eine Jägerin gesehen. Ich war so neugierig.« Seine Augen wurden riesig, als er nach Süden blickte.

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