Gilde der Jäger 01 - Engelskuss
Autorität infrage gestellt habe?«
»Du warst bereits zweihundert Jahre alt«, betonte Raphael und machte sich auf den Weg ins Badezimmer. »Alt genug, um eine eigene Entscheidung zu treffen.«
Dmitri schnaubte verächtlich. »Alt genug, um eine große Klappe zu riskieren, ohne dass etwas dahintersteckte. Ein grüner Junge mit Anfällen von Größenwahn.« Er zögerte. »Haben Sie sich eigentlich jemals gefragt, ob ich– ein Spitzel bin?«
»Hätte ich das, wärst du nicht mehr am Leben.«
Dmitri schmunzelte, und er strahlte dabei so viel Loyalität aus, dass es Raphael immer wieder aufs Neue überraschte. Der Vampir war so mächtig, dass er ohne Weiteres eine eigene Festung hätte haben können, doch er hatte sich einem Erzengel verschrieben. »Jetzt werde ich dir eine Frage stellen, Dmitri.«
»Sire?«
»Warum verschone ich wohl Elenas Leben, was glaubst du?«
»Sie brauchen sie, um Uram aufzuspüren«, antwortete Dmitri. »Und… Sie sind von ihr fasziniert. Das ist selten bei einem Unsterblichen.«
»Leidest du schon unter dem Überdruss?«
»Ich fühle ihn bereits nahen– wie bekämpfen Sie ihn?«
Raphael war sich nicht sicher, dass er sich überhaupt dagegen wehrte. »Wie du schon sagst, es gibt nur wenige Dinge, die einen Unsterblichen faszinieren.«
»Ah.« Dmitri lächelte sein anzügliches Vampirlächeln. »Dann genießen Sie lieber, was Sie fasziniert.«
Elena wurde vom Druck ihrer Blase geweckt. Zum Glück hatte sie als Jägerin gelernt, ihre natürlichen Bedürfnisse zu beherrschen– manchmal erforderte die Jagd stundenlanges Beobachten, ohne dass sie sich regen durfte. Trotzdem war es ein unangenehmes Gefühl.
Ich werde Dmitri schicken.
Ihr Gesicht lief so rot an, als hätte sie Verbrennungen dritten Grades. »Spionierst du den Leuten immer hinterher?« Sollte sie ihren neu entwickelten, Kopfschmerzen auslösenden Schild ausprobieren? Lieber sparte sie sich ihn für den Ernstfall auf, wenn Raphael sie wirklich manipulierte.
Nein, die meisten sind uninteressant.
Seine Arroganz verschlug ihr die Sprache… und stimmte sie froh. Das war der Erzengel, den sie kannte. »Mit diesem Vampir geh ich nicht aufs Klo. Der versucht bestimmt, mich zu beißen.«
Dann wartest du eben auf mich.
Ihr war nach Schreien zumute. »Er soll mich losbinden. Jetzt, da Sie wieder auf den Beinen sind, werde ich wohl kaum wagen zu fliehen.«
Ich glaube nicht, dass Dmitri dir noch traut, wenn du Hände und Füße frei hast.
Gerade wollte sie ihm haarklein erzählen, was sie von seinem Einwand hielt, als die Tür aufging und besagtem Vampir Einlass gewährte. Dmitri sah aus, als hätte er die Nacht durchgemacht, das Hemd war zerknittert, und die sonst immer adrett gekämmten Haare waren zerzaust. Dadurch wirkte er so richtig sexy. »Brauchen Vampire eigentlich Schlaf?«
Überrascht sah er sie an. »Sie sind doch eine Vampirjägerin. Wissen Sie das denn wirklich nicht?«
»Ich weiß schon, dass sie schlafen, aber braucht ihr Körper das?« Sie verharrte regungslos, während er sich hinter ihr zu schaffen machte. »Dmitri!«
Kühle Finger schoben ihr Haar zur Seite, um ihren Nacken bloßzulegen. Knöchel glitten über ihre Haut. »Wir können länger als Menschen ohne Schlaf auskommen. Aber natürlich brauchen wir ihn auch.«
»Lassen Sie das«, murmelte sie, während er weiter ihren Nacken streichelte. »Ich bin jetzt nicht in Stimmung.«
»Das hört sich vielversprechend an.« Sie spürte seinen Atem im Nacken, eine gefährliche Stelle für einen Vampir mit kalten Händen. Das bedeutete nämlich, dass er hungrig war. »Wie kann ich Sie denn in Stimmung bringen?«
»Machen Sie mich los, und lassen Sie mich auf die Toilette gehen.«
Stillvergnügt lachte er in sich hinein, und dann spürte sie aufeinmal einen Zug an ihren Handgelenken. Wie durch Zauberei lösten sich die Knoten. »Wie, zum Teufel, haben Sie das gemacht?«
»Bondage habe ich von einem wahren Meister gelernt«, murmelte er, und während sie sich von den Stricken befreite, spielte er mit ihren Haaren.
Sie hätte ihn zurechtweisen können, doch er tat ihr nicht weh, und sie hatte das Gefühl, jetzt, da Raphael wach war, war es nicht Dmitri, der ihr gefährlich werden konnte. »Wo ist die Toilette?« Sobald sie die Fesseln los war, sprang sie auf und stöhnte dann. »Meine Muskeln. Warum, um alles in der Welt, haben Sie mich so fest gebunden?« Sie warf ihm einen bitterbösen Blick zu.
»Vielleicht wollte ich mich revanchieren.« Mit der
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