Gilde der Jäger 01 - Engelskuss
hätte… dann wäre sie genauso ein Ungeheuer wie der Killer, der sie mit Blut gesalbt hatte, noch bevor sie sich überhaupt mit Jungen traf.
»Sag mir bitte den Grund hierfür«, sagte sie mit rauer Stimme.
»Später.« Ein Befehl. »Such ihn.«
Natürlich hatte er recht. Wenn sie sich nicht beeilte, würde der Geruch immer schwächer werden. Ohne etwas darauf zu erwidern, stieß sie mit dem Fuß ein wenig Erde los und bedeckte damit ihr Erbrochenes. Dann joggte sie langsam um das Lagerhaus herum, um herauszubekommen, an welcher Stelle er das Gelände verlassen hatte. Die meisten Vampire benutzten Türen, aber nicht immer. Und dieser Mörder hatte zusätzlich noch Flügel.
Ein beißend saurer Geruch.
Vor einem kleinen Seitenausgang blieb sie stehen. Von außen wirkte alles ganz normal, doch als sie die Tür mit einem Ruck aufriss, war die Innenseite voller blutiger Handabdrücke. Für einen Mann wie Uram waren sie zu klein. Sie ließ ihren Blick ins Innere des Raums wandern… und sah die hängenden Schatten im Inneren des Lagerhauses.
Mit Wucht schleuderte sie die Tür zu. »Er hat sie laufen lassen, hat sie glauben lassen, sie könnten ihm entkommen.«
Raphael blieb stumm, als sie sich in Zickzackbewegungen vom Ausgang entfernte.
»Nichts«, sagte sie. »Sein Geruch ist nur hier, weil eines der Mädchen entwischen konnte und er sie zurückgeschleppt hat.« Sie beugte sich über das verdorrte Gras.
»Getrocknetes Blut«, sagte sie verzweifelt. »Das arme Kind hat es wirklich geschafft, so weit zu kriechen.« Sie runzelte die Stirn. »Hier ist zu viel Blut.«
Neben ihr wurde Raphael ganz starr. »Du hast recht. Da führt eine Spur weg von der Tür.«
Sie wusste, dass er besser sehen konnte als sie. Wie Raubvögel konnten Engel angeblich selbst im Flug die winzigsten Details auf der Erde erkennen. »Urams kann es nicht sein, das hätte ich gerochen«, murmelte sie. Sie ging Raphael nach, der die Spur verfolgte– nach den ersten paar Metern konnte sie nichts mehr erkennen. »Hat er vielleicht eine der Leichen hierher gebracht?« Jetzt hatten sie den Maschendrahtzaun erreicht. Sie ging in die Hocke und entdeckte eine Vertiefung unter dem Zaun. »An dem Draht klebt Blut.« Mit einem Mal war sie ganz außer sich.
»Ich muss rüberfliegen.«
Während er hinüberflog, fand Elena ein zweites Loch und quetschte sich durch. Auf der anderen Seite gab es deutlichere Blutspuren– denn dort gab es kein Gras, sondern nur hartes Erdreich. Ihre Aufregung wurde nun zu einer bangen Hoffnung. »Irgendjemand ist hier durch das Loch gekrochen.« Als sie aufstand, blickte sie direkt auf die Tür eines kleinen Schuppens. Er sah aus, als hätte er einst als Unterkunft für den Wächter des ehemaligen Parkplatzes dahinter gedient.
An der Tür klebte Blut.
»Warte hier«, befahl Raphael.
Sie griff nach ihm, erwischte seinen Flügel. »Nein.«
Der Blick, den er ihr jetzt zuwarf, war nicht eben freundlich. »Elena…«
»Wenn es eine Überlebende gibt, dann verliert sie beim Anblick eines Engels noch völlig den Verstand.« Sie ließ von seinem Flügel ab. »Ich sehe nach. Wahrscheinlich ist sie tot, aber nur so zur Sicherheit…«
»Sie lebt.« Kategorisch. »Hol sie her. Wir haben keine Zeit zu verschwenden.«
»Ein Leben zu retten ist doch keine Zeitverschwendung.« Sie ballte die Hände so fest, dass die Nägel Abdrücke hinterlassen würden.
»Wenn wir ihn nicht aufhalten, wird Uram Tausende töten. Und mit jedem Mord wird er schrecklicher.«
Momentaufnahmen der verstümmelten Leichen aus dem Lagerhaus schossen ihr durch den Kopf. »Ich beeile mich.« Als sie vor dem Schuppen stand, holte sie tief Luft. »Ich bin eine Jägerin«, sagte sie laut. »Ich bin ein Mensch.« Dann öffnete sie die Tür so, dass sie nicht in der Schusslinie stand, falls jemand eine Waffe auf sie gerichtet hatte.
Totenstille.
Mit allergrößter Vorsicht blickte sie sich um und… sah in das Gesicht einer zarten Frau mit schräg stehenden Augen. Abgesehen von den rostroten Blutflecken war die Frau nackt, mit den Armen hielt sie ihre angezogenen Beine fest umschlungen, während sie sich lautlos vor-und zurückwiegte, blind für alles, außer den Schreckensbildern in ihrem Kopf.
24
»Ich heiße Elena«, sagte sie sanft und fragte sich, ob die Frau sie überhaupt wahrnahm. »Sie sind jetzt in Sicherheit.«
Keine Reaktion.
Sie ging wieder hinaus und blickte Raphael an. »Sie braucht einen Arzt.«
»Illium wird sie zu unserem Heiler
Weitere Kostenlose Bücher