Gilde der Jäger 02 - Engelszorn
Gift im Körper. Seit dieser Zeit wird dein Blut ein paarmal im Jahr untersucht.«
»Ist es schwer, jemanden zu erschaffen?«
Raphael nickte. »Das Auswählen ist schwer. Es liegt im Interesse des Kaders, niemanden zu erwählen, der schwach ist, der zerbricht, aber Fehler sind unvermeidlich.«
Noch nie hatte er das ausgesprochen, sie presste ihre Lippen in seine Handfläche.
»Der Akt an sich«, sagte er mit gesenkter Stimme, »ist so intim, wie du ihn wünschst. Für manche ist es ein rein klinischer Akt, so wie Blutspenden. Der Mensch wird während des Bluttransfers in eine Art Schlafzustand versetzt.«
Erleichtert atmete sie auf. »Ich dachte schon, es wäre so wie bei unserem Kuss.« Dieser Kuss hatte ihre Seele berührt.
Kobaltblaue Flammen schlugen in seinen Augen hoch. »Nichts wird je so sein wie unser Kuss.« Ihr Herz hämmerte wild, sie richtete sich auf, legte ihm die Hände auf die Schultern. Er ließ seine Blicke über ihren schönen nackten Körper wandern. Elena.
Sie küsste ihn. Er reagierte mit flammender Leidenschaft, und dennoch spürte sie seine innere Anspannung. »Wir müssen bald los, ja?«
»Ja.« Sanft strich er ihr über den Rücken. »Wir werden wie Sterbliche nach Beijing reisen.«
»Würde es nicht mehr Eindruck machen, wenn wir flögen?«
»Langstreckenflüge erfordern ein hohes Maß an Muskelkraft, das du noch nicht besitzt.« Auch wenn die Antwort sachlich und nüchtern klang, Raphaels Hände hatten anderes im Sinn, glitten tiefer … immer tiefer.
»Raphael …« Sie erschauerte, griff ihm ins Haar. »Galen hat recht. Durch mich bist du verwundbar. Und Lijuan weiß, wo sie mich treffen kann, kennt meine schwachen Punkte.«
Die kannte ich auch, Elena. Und dennoch hast du mein Herz erobert.
Zwei Stunden später stand Elena schon wieder in dem Ring aus festgestampfter Erde, die ihr mittlerweile so vertraut war wie ihr eigenes Gesicht. Vielleicht, weil sie mehr als einmal engste Bekanntschaft mit ihr geschlossen hatte.
»Also«, sagte sie und blickte in die geschlitzten und ganz und gar nicht menschlichen Augen ihres Sparringpartners, »ab und zu verzichten Sie also auch mal auf Ihren Anzug.«
Venom lächelte und entblößte dabei seine giftigen Eckzähne, sein Gesicht war zugleich wunderschön und zutiefst fremdartig. Er hatte nicht nur auf seinen Anzug verzichtet, sondern trug diesmal lediglich eine schwarze Hose aus fließendem Stoff, die jede seiner Bewegungen geschmeidig nachvollzog; sein sehniger Leib war ebenso schlangenhaft wie seine Augen.
Und dieser Leib … hatte es allemal verdient, dass man ein zweites Mal hinschaute. Aber im Moment war Elena mehr davon fasziniert, wie spielerisch und mühelos er mit den dreißig Zentimeter langen gebogenen Messern umging. Sie erinnerten sie beinahe an eine bestimmte Art von Kurzschwertern, aber dafür waren sie eigentlich wieder zu kurz und nicht gerade genug. Doch waren sie auch nicht so sehr gebogen wie eine Sichel, sondern hatten einen sanften, leichten Schwung. Klingen von tödlicher Eleganz.
Genau genommen war die Art der Waffen aber überhaupt nicht ausschlaggebend. Entscheidend war, was er damit tun konnte. Elena erwiderte sein selbstgefälliges Lächeln. »In New York haben Sie das Messer nicht gefangen, das ich nach Ihnen geworfen habe.«
Er zuckte die Achseln, unter der glänzend goldenen Haut spielten die Muskeln. »Ich habe es gefangen.«
»An seinem schärfsten Ende.« Sie probierte die langen, schlanken Klingen aus, die Galen ihr herausgesucht hatte. Sie waren kürzer als die Rapiere, die er ihr ganz zu Anfang gegeben hatte, auch waren sie so ausbalanciert, dass sie sie gut werfen konnte. Wenn Venoms Klingen auf Eleganz ausgerichtet waren, dann waren ihre auf Kraft und größtmögliche Wirkung ausgerichtet, beide Seiten der Klinge waren rasiermesserscharf – notfalls konnte sie damit jemandem die Eingeweide mit chirurgischer Genauigkeit entfernen. »Wie nachlässig von Ihnen.«
»Dann muss ich das wohl heute wiedergutmachen.« In leicht geduckter Haltung begann er sie zu umrunden, seine Bewegungen waren von fast quälender Langsamkeit.
Elena wählte die entgegengesetzte Richtung, wollte erst einmal einen Eindruck von seiner Vorgehensweise bekommen. In der Regel verrieten die Leute ihren nächsten Zug. Sie wusste sehr wohl, wodurch sie selbst sich verriet: Es waren ihre Füße. Es hatte sie jahrelanges Training gekostet, damit sie nicht die Richtung verrieten, die sie einschlagen wollte. Venom gab nichts
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