Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gilde der Jäger 02 - Engelszorn

Gilde der Jäger 02 - Engelszorn

Titel: Gilde der Jäger 02 - Engelszorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N. Singh
Vom Netzwerk:
ist.«
    »Ausgezeichnet, Sam«, ertönte die Stimme einer Erwachsenen hinter Elena. Im nächsten Moment schwebte eine hochgewachsene, krankhaft dürre Person in einem langen blauen Gewand an Elena vorbei und begab sich ans Kopfende des Halbkreises. Das musste wohl die gefürchtete Jessamy sein, dachte Elena.
    »Wie ich sehe, habt ihr euch schon mit unserer neuen Schülerin bekannt gemacht«, sagte die Lehrerin.
    Sam meldete sich.
    »Ja, Sam?«
    »Ich kann sie herumführen und ihr alles zeigen.«
    »Das ist aber nett von dir.« Ein kurzes Zwinkern trat in die braunen Augen, bevor sie wieder streng blickten.
    Aber Elena hatte es bemerkt, und es machte ihr die Lehrerin sympathisch.
    »Und weil heute Elenas erster Tag ist«, sagte Jessamy, »wollen wir noch einmal einiges von dem wiederholen, was wir schon über unsere Physiologie gelernt haben.«
    Elena schaute kurz zu Sam. »Du bist noch keine vier, oder?«
    »Ich bin doch kein Baby mehr«, gab er entrüstet zurück, woraufhin ihre Nachbarn sie ermahnten, doch leise zu sein.
    Dann hörte Elena zu, wie die anderen Schüler ihr die Namen und Funktionsweisen jedes Muskels, jedes Knochens und jeder einzelnen Feder – von denen, mit deren Hilfe man steuerte, bis zu denen, die die Schubkraft steigerten oder verminderten – erklärten.
    Als der Unterricht vorbei war, rauchte Elena der Kopf, und sie hatte eine recht gute Vorstellung davon, was sie noch alles würde lernen müssen.
    »Ihr könnt jetzt gehen«, sagte Jessamy zu den Kindern und erhob sich. »Elena, ich würde mich gerne noch einmal kurz mit Ihnen unterhalten.«
    Die Enttäuschung in Sams großen braunen Augen war nicht zu übersehen. »Soll ich auf dich warten?«
    »Ja«, sagte Elena. »Denn in diesem Teil der Zufluchtsstätte bin ich noch nie gewesen.« Die Schule lag im Stadtzentrum – laut Illium war das hier Niemandsland.
    Wie er sie so sonnig und unschuldig anlächelte, wurde Elena auf einmal aus Sorge um ihn ganz bang ums Herz. »Ich warte in der Spielecke auf dich.« Mit einem kurzen Kopfnicken Richtung Lehrerin verließ Sam das Zimmer, dabei ließ er seine braunen Flügel mit den schwarzen Spitzen über den Boden schleifen.
    »Sameon«, mahnte Jessamy freundlich.
    »Hoppla!« Wieder lächelte er. »Tut mir leid.« Die Flügel wurden angehoben.
    »Sobald er außer Sicht ist, lässt er sie wieder fallen.« Jessamy deutete auf zwei große Kissen, die neben einem mit Büchern beladenen Pult lagen. »Wer hat Ihnen eigentlich gesagt, dass Sie diese Klasse besuchen sollen?«
    Gerade als sie sich hinsetzen wollte, stieg mit einem Mal ein böser Verdacht in ihr auf. »Dmitri.«
    »Ah.« In den Augen der Lehrerin funkelte es. »Sie hätten eigentlich gar nicht mit den Kleinen zusammen sein sollen. Ich sollte Ihnen Einzelunterricht erteilen.«
    »Ich würde ihm ja die Haut bei lebendigem Leibe abziehen«, murmelte Elena, »aber es hat mir solchen Spaß gemacht. Hätten Sie etwas dagegen, wenn ich noch einmal dabei wäre? Einfach nur durch die Gegenwart der Kinder lerne ich eine Menge.«
    »Sie sind uns jederzeit willkommen.« Jessamys schmales Gesicht verdüsterte sich. »Aber Sie müssen leider schneller lernen, wenn Sie Zhou Lijuan überleben wollen.«
    Elena stutzte.
    »Ich weiß von den Wiedergeborenen«, sagte Jessamy voller Abscheu. »Ich bin das Archiv allen Engelswissens. Es ist meine Pflicht, alle Geschichten aufzubewahren – aber ich wünschte, ich hätte diese hier nicht niederschreiben brauchen.«
    Zustimmend nickte Elena und legte die Hand auf den Bücherstapel, der sich auf dem Pult türmte. »Sind die für mich?«
    »Ja. Sie enthalten einen knappen Überblick über unsere jüngste Vergangenheit.« Sie erhob sich. »Lesen Sie, so viel Sie können, und kommen Sie mit jeder Frage zu mir, egal wie dumm oder unbedeutend sie Ihnen auch vorkommen mag. Wissen ist Macht, wenn Sie es im Tanz mit unseren Ältesten aufnehmen wollen.«
    Elena stand ebenfalls auf, und als Jessamy ihr den Rücken zuwandte, um etwas aufzuheben, fiel ihr Blick auf die Flügel der Lehrerin. Der linke Flügel war so verkümmert, dass sich Elenas Magen zusammenzog.
    »Ich kann nicht fliegen«, sagte Jessamy ohne Bitterkeit. »Ich bin so auf die Welt gekommen.«
    »Ich …« Elena schüttelte den Kopf. »Deshalb sind Sie so, wie Sie sind.«
    »Ich kann Ihnen nicht ganz folgen.«
    »Sie sind so liebenswürdig«, sagte Elena. »Sie sind der liebenswürdigste Engel, der mir je begegnet ist.« Dieser Engel mit den rostbraunen Augen und

Weitere Kostenlose Bücher