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Gilde der Jäger 02 - Engelszorn

Gilde der Jäger 02 - Engelszorn

Titel: Gilde der Jäger 02 - Engelszorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N. Singh
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hast ziemlich abgesahnt.«
    »Hast du auch ein Geschenk für mich?«
    Elena lächelte. »Hab ich das? Ich habe sogar deine Eltern gefragt, ob ich es dir geben darf.«
    Vor Aufregung versuchte er sich aufzurichten. »Was ist es?«
    »Sei vorsichtig!« Elena drückte ihn sanft wieder zurück in die Kissen und holte aus ihrer Tasche einen kleinen Dolch hervor, der in einer reich verzierten Scheide aus Metall steckte.
    Sam machte große Augen, als sie ihm den Dolch überreichte. »Ich habe ihn nach einer erfolgreichen Jagd von einem Engel aus Shikoku in Japan erhalten. Er hat mir erzählt, der Dolch sei tausend Jahre alt.« Sie deutete auf den Rubin am unteren Teil des Hefts. »Der Legende nach war dieser Rubin einst Teil eines Drachenauges.«
    Sams kleine Finger strichen ehrfürchtig über den Stein. »Was ist denn mit dem Drachen passiert?«
    »Er war schon so uralt, dass er eines Tages einfach beschloss, einzuschlafen. Nach einiger Zeit wurde er zu Stein und eines der größten Gebirge der Welt.« Beim Erzählen musste sie unweigerlich daran denken, wie ihre Mutter ihr und ihren Schwestern Geschichten erzählt hatte, wenn sie ins Bett ihrer Eltern gekrochen waren.
    Selbst Belle, die sich viel zu erwachsen für solche Sachen vorkam, hatte dabeigesessen und sich die Fußnägel lackiert oder ein Heft gelesen, doch während der Erzählung nie auch nur eine Seite umgeblättert. Schnell blinzelte Elena die bittersüßen Erinnerungen weg und fuhr mit ihrer Sage fort, die sie einst bei einer Tasse grünem Tee am Rand eines Steingartens von einem alten buddhistischen Mönch gehört hatte. »Seine Augen haben sich in Rubine, seine Schuppen in Diamanten, Saphire und Smaragde verwandelt. Nur ein einziger Krieger wagte sich in die Nähe des schlafenden Drachen.«
    »Ist der Drache aufgewacht?«
    »Ja.« Sie lehnte sich zu ihm vor und flüsterte verschwörerisch. »Und weil der Krieger so tapfer war, hat ihm der Drache ein Stück seines Auges geschenkt.«
    »Und der Rest?«
    »Es heißt, der Drache schlafe immer noch, und wenn es jemanden gibt, der klug und tapfer genug ist, ihn zu suchen, dann wird ihn der Drache mit Reichtümern überhäufen.«
    »Ich werde ihn finden.« Sams Augen leuchteten ebenso hell wie die märchenhaften Edelsteine. »Und bis dahin werde ich gut auf dein Geschenk aufpassen.«
    »Das weiß ich doch.« Sie strich ihm eine vorwitzige schwarze Locke aus dem Gesicht und versuchte ihren Zorn zu unterdrücken, denn die Jägerin in ihr wollte Blut sehen. »Schlaf jetzt. Reden können wir auch noch später.«
    Keir betrat das Zimmer, und sie erhob sich. Elena beobachtete, wie er seine Pianistenhände beruhigend und trostreich über Sam hielt und ihn in einen tiefen, heilenden Schlaf versetzte. »Er wird ihn in Ehren halten«, sagte der Heiler und legte den Dolch vorsichtig auf den Nachttisch. »Diese Art von Geschenken begleitet einen bis in das Erwachsenenalter hinein.«
    Elena nickte kurz, nur mit Mühe konnte sie sich auf den Beinen halten, da stürzte schon die nächste Lawine von Erinnerungen auf sie ein – als hätte ihr Unterbewusstsein nur darauf gewartet, bis Sam endlich die Augen schloss. Warum hier? Warum jetzt? Weder Ari noch Belle, noch ihre Mutter hatten es bis ins Krankenhaus geschafft. Nur ins Leichenschauhaus.
    »Warum hast du sie hergebracht?« Eine schrille Frauenstimme. »Sie ist doch noch ein Kind.«
    Eine große Hand schloss sich um ihre, gab ihr die Kraft durchzuhalten. »Sie hat es verdient, ihre Schwestern noch ein letztes Mal zu sehen.«
    »Aber doch nicht so!«
    »Beth ist noch zu jung«, sagte der Mann, »aber Ellie nicht. Sie weiß, was passiert ist. Um Gottes willen, sie hat alles mit angesehen.«
    »Ihre Mutter …«
    »Sobald die Wirkung der Medikamente nachlässt, fängt sie an zu schreien und schreit dann so lange, bis die Ärzte sie wieder unter Drogen setzen.« Unverständliche Worte. »Ich kann Marguerite nicht helfen, aber Ellie, ihr kann ich helfen. Sie ist vollkommen durcheinander. Und fragt mich immer wieder, ob Arielle und Mirabelle jetzt auch Monster sind.«
    »Ich werde das nicht zulassen.«
    »Versuche nicht, mich aufzuhalten.«
    »Elena?«
    Um Keirs viel zu aufmerksamen Blicken zu entgehen, murmelte sie rasch ein paar Abschiedsworte und eilte aus dem Zimmer den langen Gang entlang. Dachte über das nach, was ihr ihr Unterbewusstsein gerade offenbart hatte – Jeffrey hatte sie mit zu ihren Schwestern genommen. Hatte sich gegen ihre Tante und alle anderen durchgesetzt

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