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Gilde der Jäger 02 - Engelszorn

Gilde der Jäger 02 - Engelszorn

Titel: Gilde der Jäger 02 - Engelszorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N. Singh
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… denn sie hatte mit eigenen Augen sehen müssen, dass Arielle und Mirabelle tot und nicht in Slaters fauliger Welt waren.
    »Schon gut, Ellie.« Eine große Hand streichelte ihr über den Kopf. Unter Tränen sprach die tiefe Stimme weiter: »Wo die beiden jetzt sind, gibt es keinen Schmerz mehr.«
    Trotz der Art und Weise, wie sie ums Leben gekommen waren, hatten Ari und Belle ganz friedlich ausgesehen, ihre Augen waren geschlossen, und unter den weißen Laken hatten ihre Körper heil gewirkt. Elena hatte ihre Lippen auf die kalten Wangen gepresst, ihnen übers Haar gestrichen und Lebewohl gesagt. Über eine Stunde hatten sie neben den Toten verbracht, bis …
    »Okay, Papa.« Sie ließ ihre kleine Hand in seine gleiten und schaute zu dem Mann hoch, der immer ihr Fels in der Brandung gewesen ist. »Jetzt können wir gehen.«
    Feucht glänzten die blassgrauen Augen, die sonst immer so streng in die Welt geblickt hatten. »Ja?«
    »Nicht weinen, Papa.« Er beugte sich zu ihr herunter, und sie wischte ihm die Tränen weg. »Nun haben sie keine Schmerzen mehr.«
    Schwankend trat Elena in einen abseits gelegenen Korridor, mit zitternden Händen versuchte sie sich wieder zu fangen. Bislang hatte sie immer geglaubt, ihren Vater an jenem Tag verloren zu haben, der in einem Blutbad geendet hatte, aber das stimmte gar nicht. An dem Nachmittag im Krankenhaus war er immer bei ihr gewesen, ein Mann, der um das Recht seiner Tochter gekämpft hatte, ihren Schwestern Lebewohl zu sagen.
    Ab wann war dann aber alles schiefgegangen? Seit wann hatte ihr Vater sie wie eine Aussätzige behandelt, die er nicht einmal mehr ansehen mochte? Und wie viele Erinnerungen hatte sie noch verdrängt?
    »Elena?«
    Als sie sich umdrehte, sah sie direkt in Keirs Augen. Behutsam fragte er: »Möchten Sie vielleicht …«
    Doch Elena schüttelte bereits den Kopf. »Tut mir leid, aber ich muss wirklich los.« Sie rannte fast zum Aufenthaltsraum, nahm von dort den geheimen Treppenaufgang nach oben. Ihre Flügel schleiften über die Stufen, die eigentlich für Vampire gedacht waren, aber sie schaffte es ohne weitere Verzögerung nach oben und hinaus in die eiskalte Luft.
    Die Kälte traf ihre heißen Wangen wie ein Schlag, die frische Luft in den Lungen tat ihr gut. »Ich will mich nicht mehr erinnern.« Vielleicht war sie einfach feige, aber sie fühlte sich noch nicht stark genug, um die Wahrheit zu ertragen. Denn sie war bitter, zu bitter. Auch ohne diese Erinnerungen schaffte sie es ja kaum, über das erfahrene Elend hinwegzukommen.
    Links neben ihr hustete jemand. »Wenn es nicht erst fünf Uhr wäre, würde ich annehmen, dass Sie die Sterne betrachten.«
    Sie erstarrte. Was hatte sie gesagt? Nur nicht Galen. »Venom.«
    21
    Der Vampir trug seine charakteristische schwarze Sonnenbrille, und um seine Lippen spielte der vertraute spöttische Zug. »Zu Ihren Diensten.«
    Er musste New York verlassen haben, sobald Dmitri dort eingetroffen war. »Leiden Vampire auch unter einem Jetlag?«
    Venom schob die Brille hoch und ließ sie in seine Schlangenaugen blicken. Auch wenn sie diese unheimlichen Schlitze bereits kannte, versetzten sie ihr immer wieder einen Schock, eine instinktive Abwehrreaktion auf das fremde Wesen hinter diesen Augen. Manchmal fragte sie sich, ob es tatsächlich nur die Augen waren, die sich verändert hatten, als er geschaffen wurde – dachte Venom wie ein Mensch, oder bestand er nur aus Kaltblütigkeit?
    »Wollen Sie meine Schmerzen lindern, Jägerin?«, fragte der Vampir und glitt mit der Zunge über einen der langen Schneidezähne, der einen goldenen Tropfen Gift absonderte. »Ich bin gerührt.«
    »Ich wollte einfach nur etwas Nettes sagen«, sagte sie, bereit, es ihm mit gleicher Münze heimzuzahlen.
    Kurz bevor er seine Sonnenbrille wieder über die Augen schob, zogen sich seine Pupillen zusammen.
    Elena konnte nicht widerstehen. »Warum haben Sie eigentlich keine gespaltene Zunge?«
    »Warum können Sie nicht fliegen?« Er grinste boshaft. »Die Dinger auf Ihrem Rücken sind nämlich nicht nur zur Zierde da.«
    Sie zeigte ihm den Mittelfinger, aber eigentlich war sie ihm für seine Sticheleien ganz dankbar. Immerhin hatte er sie wieder in die Gegenwart zurückgeholt, und die Vergangenheit war genau da, wo Elena sie haben wollte: gut weggesperrt in der hintersten Ecke des Schrankes. »Sollten Sie mir nicht eigentlich den Weg zeigen?«
    »Wenn Sie mir bitte hier entlang folgen wollen, Mylady.«
    Trotzdem liefen sie auf dem Weg

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