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Gilde der Jäger 02 - Engelszorn

Gilde der Jäger 02 - Engelszorn

Titel: Gilde der Jäger 02 - Engelszorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N. Singh
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er zu begreifen, was sie meinte. »Aber so dauert es doch viel länger, bis wir einander kennenlernen.«
    »Das ist doch hier kein Wettrennen.« Elena klammerte sich an die Brüstung.
    Raphael dachte daran, wie vertrauensvoll Elena ihm von ihrer Mutter erzählt hatte und wie bereitwillig sie seinen eigenen, belastenden Kindheitserinnerungen zugehört hatte. »Ich will es versuchen, Elena.«
    »Ich glaube, ein größeres Zugeständnis kann ich von einem Erzengel nicht erwarten«, sagte sie mit einem Zwinkern in den Augen. »Die telepathische Kommunikation stört mich nicht so sehr. Die geht ja in beide Richtungen. Das andere aber … ich habe das Gefühl, es wird noch lange dauern, bis ich das willentlich steuern kann.«
    »Hast du während unserer Verbindung auch meine Gedanken lesen können?«
    »Eigentlich nicht. Ich war viel zu sehr mit dem Fliegen beschäftigt – mein Gott, du kannst vielleicht fliegen, Raphael!« Sie nickte anerkennend. »Bestimmt ist das nicht leicht, was du da gerade vollführt hast.«
    Ihre Worte erfüllten ihn mit Stolz, es war der Stolz des Jungen von einst, vor Caliane. Vor Isis. Vor Dmitri.
    »Einen Namen habe ich aufgeschnappt«, sagte sie zögerlich. »Hast du vorhin an deinen Vater gedacht?«
    »Ja.« Er beobachtete, wie der Wind ihr ein paar widerspenstige, blonde Strähnen ins Gesicht blies, wie sich ihr Körper vom diamantbesetzten Nachthimmel abhob, und fasste einen Entschluss. »Ich hatte mir überlegt, dass der Wahnsinn meines Vaters in vielerlei Hinsicht wesentlich schlimmer war als der Urams.«
    Elena ließ ihn weiterreden, lehnte sich nur leicht vor und berührte seine Hand. Er ergriff sie und fragte sich, wie die Begegnung mit der Gildenjägerin Elena Deveraux nur solch einen Erdrutsch in seinem Leben hatte auslösen können. Blitzartig hatte sie sein Herz erobert und war das Wichtigste in seinem Leben geworden.
    »Nach anfänglichem Zögern waren sich alle Mitglieder des Kaders einig, dass Uram sterben musste.« Lijuan hatte ihm damals das meiste Kopfzerbrechen bereitet – tat es immer noch. »Lijuan hat sich gefragt, ob der Machtzuwachs die Verwandlung in einen Blutgeborenen vielleicht lohnenswert mache.«
    Es überlief sie kalt. »Du hättest ihr mal den Raum zeigen sollen, in dem Uram die Überreste seiner Opfer aufbewahrte.« Bei dem Gedanken krampfte sich ihr Magen jetzt noch zusammen. »Es war das reinste Schlachthaus. Allein vor dem Gestank wären die meisten schon schreiend davongelaufen.«
    »Elena«, sagte Raphael, und seine Augen waren beinahe ganz schwarz, »du vergisst dabei, dass Lijuan mit den Toten spielt.«
    »Halt den Anhänger doch still, Ellie.«
    »Versuch ich ja.«
    »Sch, Mama hört uns sonst.«
    Sie füllte ihre Lungen mit Raphaels beißend frischem Duft, schluckte die quälende Erinnerung hinunter und konzentrierte sich auf die Gegenwart. »Warum war dein Vater denn schlimmer?«
    Der Wind spielte mit Raphaels Haaren, die schwärzer waren als die Nacht. »Er hat nicht einfach so getötet. Lange Zeit haben alle geglaubt, die Gier nach Macht, nach Land würde ihn antreiben.«
    »Andere haben sich ihm angeschlossen«, mutmaßte sie.
    Ein zögerndes Nicken. »Er war ein Kaiser, aber er wollte ein Gott sein. Die ersten Morde geschahen heimlich und waren politisch motiviert.«
    Elena strich ihm das Haar aus dem Gesicht, sie hatte das Bedürfnis, ihn zu berühren, denn er schien auf einmal so weit weg zu sein. »Und was hat die Leute bewogen, ihre Meinung zu ändern?«
    Behutsam erwiderte er die Berührung ihrer Hand, doch sein Ausdruck blieb eisig, distanziert. »Als er anfing, ganze Dörfer, die nicht in seinem Machtbereich lagen, niederzubrennen.«
    Nun kam ihr die Lektüre, die sie auf Jessamys Anraten hin gelesen hatte, zugute. »Eine Kriegserklärung also.«
    »Mein Vater hat es nicht so gesehen. Er hat erwartet, dass sich die übrigen Kadermitglieder unterordnen – zu der Zeit hat er sich schon selbst für einen Gott gehalten.«
    »Wie alt warst du, als er starb?«
    »Bloß ein paar Jahrzehnte alt.«
    Ein Kind, dachte sie, er war nur ein Kind. »Das bedeutet ja …« Sie stockte, konnte nicht weitersprechen.
    »Dass es mit seinem Wahnsinn schon lange vor meiner Geburt begonnen hat, ja.«
    Sie schlang die Arme um seine Taille und schmiegte ihre Wange an sein Herz. »Deshalb all die Sorgen um deine Geburt.«
    Wie Bänder aus Stahl hielten seine Arme sie umfangen. Manchmal frage ich mich, was wohl er an mich weitergegeben hat und was meine

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