Gilde der Jäger 02 - Engelszorn
wird Ihnen das richtige Ziel einen leichten Vorteil bringen.«
»Was meinen Sie mit ›leicht‹?«
Galen zog ein Messer aus der Wand, und sie konnte sehen, wie sich sein Bizeps anspannte. »Sie spielen mit Erzengeln. Leicht bedeutet eine enorme Verbesserung zu sicherem Tod.«
25
Jason und Raphael standen auf dem Balkon vor Raphaels Büro, vor ihren Augen erstreckte sich die Stadt.
»Was hast du herausgefunden?«, fragte Raphael seinen Meisterspion.
Die Tätowierung auf Jasons Gesicht wirkte vollständig wiederhergestellt, doch das täuschte. Die Haut, die ihm einer von Lijuans Wiedergeborenen zerfetzt hatte, war zwar geheilt, aber die schwarzen Zeichnungen darauf waren nur behelfsmäßig rekonstruiert, um Außenstehende über seine wahre Stärke zu täuschen. Jason würde sich noch einmal der schmerzhaften Prozedur mit der Nadel unterziehen müssen. »Sie hütet ein Geheimnis.«
Raphael wartete ab. Alle Erzengel hatten Geheimnisse, aber da Jason es so betonte, musste es etwas Besonderes bedeuten.
»In dieses Geheimnis ist anscheinend noch niemand eingeweiht, aber ich glaube, der Schatten weiß davon«, sagte er und meinte damit Philip, den Vampir, der schon länger in Lijuans Diensten stand, als Raphael lebte. »Sie hält ihn wie ein Haustier – und hat ihm nicht wie allen anderen verboten, das versiegelte Zimmer zu betreten.«
»Meinst du, du oder einer unserer Leute könnte einen Blick in diesen Raum werfen?«
Jason schüttelte den Kopf. »Er ist von Wiedergeborenen umgeben, die ihn Tag und Nacht bewachen.« Er strich sich über das Gesicht. »Ich bin mir ziemlich sicher, dass sie jeden Eindringling in Stücke reißen würden.« Zerstückeln war eine der wenigen Methoden, mit denen man einen so alten Engel wie Jason eventuell töten konnte. Blieb der Kopf jedoch unversehrt, bestand die Möglichkeit, dass er wieder zu Kräften kam.
»Hast du herausfinden können, wie viele von Lijuans Wiedergeborenen sich von Menschenfleisch ernähren?«
»Mittlerweile sind es nicht nur die Alten – ich habe auch eine Gruppe jüngerer Wiedergeborener beobachtet, die sich an frischen Leichen gütlich taten«, antwortete der Engel. »Und zwar in aller Öffentlichkeit.«
»Also hat sie noch eine weitere Grenze überschritten.« Und das war wiederum ein Zeichen dafür, dass ihr Geist nicht mehr so funktionierte, wie er sollte. »Berichte mir von dem versiegelten Zimmer.«
»Es liegt im Zentrum ihrer Bergfestung, ganz tief im Inneren. In den Fluren ringsum wimmelt es nur so von Wiedergeborenen mit glänzenden Augen – die sich von Fleisch ernähren!«
»Kannst du dir vorstellen, was Lijuan dort versteckt?« Sicherlich nichts Gutes, so viel stand schon einmal fest.
»Bislang noch nicht. Aber ich werde es herausfinden.« Jason schüttelte seine Flügel. »Wie befohlen, habe ich Maya bei Dahariel eingeschleust. Irgendetwas geht da vor, aber ob es mit den Vorkommnissen hier in der Zufluchtsstätte zu tun hat, kann ich nicht sagen. Es gibt Gerüchte, Dahariel habe kürzlich mehrere Vampire ermorden lassen, doch das kann genauso gut eine verdiente Strafe gewesen sein.«
»Maya soll bleiben, wo sie ist. Ich habe auch Leute in Nazarachs und Anoushkas Häusern postiert.«
»Und wenn es nun Nazarach war?«
»Dann werde ich ihn exekutieren.« Nazarach herrschte über Atlanta, aber nur, weil Raphael ihn dort duldete. »Dahariel ist der Mächtigste von allen.« Und der Klügste und Kaltblütigste. Einen abgeschlagenen Kopf auf Anoushkas Kopfkissen zu legen wäre ihm zuzutrauen.
»Wenn er es tatsächlich ist«, sagte Jason, »dann schlägt er aber ziemlich nahe vor seiner eigenen Haustür zu – eine von Astaads Lieblingskonkubinen wurde gestern ohne alle Eingeweide gefunden. Im Inneren ihres Körpers hat sie ein Brandmal, und alles deutet darauf hin, dass sie noch lebte, als sie so bestialisch zugerichtet wurde.«
»Also …« Anscheinend konnte nur brutales, unbarmherziges Töten diesen Möchtegern-Erzengel zufriedenstellen. »Astaad hat es dem Kader noch nicht gemeldet.«
Jason sagte dazu nur: »Stolz.«
»Ja.« Der Erzengel, der über die Pazifischen Inseln herrschte, musste außer sich sein, dass es jemandem gelungen war, in seinen Harem einzudringen. »Noch ein Erzengel in einer schwierigen Lage.« Feige und trunken vor perverser Lust würde es der Engel, der hinter diesen Anschlägen steckte, anders bewerten. Für ihn wäre es ein Triumph.
»Sire – da gibt es noch etwas.«
»Ja?«
»Im Brustkorb der Konkubine
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