Gilde der Jäger: Engelsblut (German Edition)
Schweigen.
Elena hielt ihn an sich gedrückt, nah genug, dass das Schlagen ihrer Herzen miteinander verschmolz. Es war das Einzige, was sie tun konnte, das Einzige, was sie ihm geben konnte. Wenn er das Blut seiner Mutter vergießen musste, würde sie ihm zur Seite stehen, selbst wenn er sie aufforderte, sich aus der Sache herauszuhalten. Denn sie waren miteinander verbunden, sie und ihr Erzengel, zwei Teile, die langsam zu einem Ganzen wurden.
Der Rest des Tages verlief ohne Zwischenfälle, und Elena verbrachte einige Zeit mit Evelyn. Der unschuldige Enthusiasmus ihrer Schwester und ihr wachsendes Vertrauen in ihre Fähigkeiten waren eine willkommene Abwechslung zu den dunklen Wolken am Horizont. Alles in allem hatte sie ein gutes Gefühl – bis sie zu Hause unverhofft auf Santiago traf.
»Haben Sie vor, mir zu erklären, was da los war ?« , fragte sie der Polizist. »Heute Morgen auf der Brücke ?«
Mit einem beklemmenden Gefühl in der Magengegend verschränkte Elena die Arme vor der Brust. »Sie wissen ja, dass ich Ihnen nicht alles sagen kann .«
Santiago lehnte an dem Mannschaftswagen, der ihn über die Brücke zur Engelsenklave gebracht hatte, und ahmte mit messerscharfem Blick ihre Haltung nach. »Also sind Sie jetzt keine mehr von uns, Ellie ?«
»Das ist unfair .« Sie hatte gewusst, dass es dazu kommen würde, doch sie hatte nicht so früh damit gerechnet – und nicht von seiner Seite. Niemals von Santiago. »Aber klar, wenn Sie diese Grenze feststecken wollen – ich bin nicht mehr nur eine Jägerin. Ich bin die Gemahlin eines Erzengels .« Es war seltsam, diese Worte über ihre Lippen kommen zu lassen, doch sie hatte ihre Entscheidung getroffen und würde dazu stehen.
Der Detective löste sich aus seiner lässigen Haltung und ließ die Arme sinken. »Damit wäre meine Rolle wohl klar .«
Sie wollte ihn schütteln. »Warum sind Sie so unvernünftig? Sie waren doch immer froh, wenn sich die Gilde um Vorfälle mit Vampiren gekümmert hat .«
»Etwas an dieser Sache stinkt .« Entschlossen reckte er das Kinn, auf dem sich das Sonnenlicht in seinen grau melierten Bartstoppeln fing. »Ich will nicht, dass die Stadt wieder zu einem solchen Schlachtfeld wird wie beim letzten Mal .«
»Glauben Sie, ich will das ?«
»Sie sind kein Mensch mehr, Ellie. Ich kenne Ihre Prioritäten nicht .«
Das tat besonders weh, nicht nur, weil sie seit Jahren befreundet waren, sondern weil er sie nach ihrer Rückkehr so selbstverständlich akzeptiert hatte. Sie ballte die Fäuste und sagte mit betont ausdruckslosem Gesicht: »Ich würde sagen, damit sind wir quitt – ich erkenne Sie ebenfalls nicht wieder .«
Sie glaubte, ihn zusammenzucken zu sehen, und war fast sicher, dass er etwas erwidern wollte, doch dann stieg er in den Mannschaftswagen und schlug die Tür zu. Erst als er davongefahren war, krümmte sie sich zusammen. Sie hatte das Gefühl, jemand hätte sie in die Magengegend geschlagen. Sie atmete dagegen an und richtete sich wieder auf, dann ging sie ins Haus, um Venom anzurufen. Sie musste ihre Aggressionen an jemandem auslassen, und der Vampir hatte eine Art an sich, sie wider jede Vernunft zu provozieren – genau das, was sie an diesem Tag brauchte.
Venom hatte nicht nur Zeit, er hatte auch teuflisch schlechte Laune. Das hatte zur Folge, dass sie abends völlig zerschlagen und erschöpft ins Bett fiel. Raphael hob eine Augenbraue über ihren Zustand, als er sich zu ihr legte. »Warum war dieser Sterbliche hier ?«
Natürlich wusste er es. »Er wollte über den Fall sprechen .«
Eine unheilvolle Stille, die mehr sagte als Worte.
Sie schlug mit der Faust auf ihr Kissen und drehte sich auf die andere Seite. »Es ist nicht wichtig. Nicht bei all den Dingen, die sonst noch geschehen .«
»Ich kann den Sterblichen jederzeit fragen .«
Sie runzelte die Stirn und drehte sich um zu ihm, um ihn böse anzufunkeln. »Ich lasse mich nicht erpressen .«
Er hatte die Arme hinter dem Kopf verschränkt und sah sie aus seinen blauen Augen an, die gefährlich ruhig geworden waren. »Das war keine Drohung .«
Sie ballte die Hände zu festen, blutleeren Fäusten. »Es ist nichts !«
Er sah sie ohne zu blinzeln an.
»Also gut .« Sie ließ sich auf den Rücken fallen und starrte an die Decke. »Es ist nur … schwer, zwischen zwei Welten hin- und hergerissen zu sein .« Als die Worte draußen waren, verschwand ihre Wut, wich einem weit schmerzhafteren Gefühl, das eng und heiß und aufreibend in ihrer Brust
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