Gilde der Jäger: Engelsblut (German Edition)
gekostet, das Raphael ihr eingeflößt hatte, als er ihrem sterbenden Körper mit einem Kuss unsterbliches Leben eingehaucht hatte.
Warum sollte ein solcher Akt nicht noch tiefer greifende Konsequenzen haben?
Geh wieder nach Hause, Elena.
Bestürzt ließ sie sich ein Stück absacken, warf einen Blick über die Schulter und sah Raphael am Himmel hoch über sich. Wir werden zusammen nach Hause gehen.
Du hast keine Chance, mit mir mitzuhalten. Es lag zwar sehr viel Arroganz in seinen Worten, doch das machte sie nicht weniger wahr.
Anstatt zu antworten, flog sie weiter und ritt auf den Nachtwinden, um Verschnaufpausen zu erhaschen, wo immer es möglich war. Einige Zeit später ließen sie den Stadtrand hinter sich, und die Straßenlaternen und leeren Straßen unter ihnen deuteten auf ruhige, tief schlafende Vororte hin.
Ein Luftstoß streifte ihr Gesicht, als ihr Erzengel vor ihr in die Tiefe schoss, bevor er sich mit atemberaubender Geschwindigkeit wieder in die Höhe zog. Er hatte schon öfter vor ihr angegeben. Aber das hier war kein Spiel. Das hier war ein Erzengel, der ihr vorführte, wie unglaublich mickrig sie in Anbetracht der schwierigen Umstände war. Eilmeldung, Erzengel. Ich weiß längst, dass ich im Vergleich zu dir so schwach wie ein Kleinkind bin. Das hat mich bisher aber noch nie davon abgehalten, mit dir zu tanzen.
Als die Worte ihren Mund verließen, fiel ihr noch etwas ein, ein sinnliches Versprechen, das er ihr in der Zufluchtsstätte gegeben hatte. Du hast gesagt, du würdest mir zeigen, wie Engel tanzen.
Ich bin nicht in der Stimmung, freundlich zu sein, Gildenjägerin.
Sie hob eine Augenbraue. Gemahlin.
Du wirst müde. Ich sehe, dass deine Flügel nachgeben.
Sie fluchte leise, denn er hatte recht: Sie hielt nach einem Platz zum Landen Ausschau. Als ihr Blick einen dicken, hoch gelegenen Ast streifte, der zu einem Baum in einem kleinen menschenleeren Park gehörte, ließ sie sich ohne zu zögern fallen. Vielleicht würde sie sich ein paar Knochen brechen, aber zum Teufel, es gab einen Grund dafür, dass sie so verdammt hart trainierte – und der war bestimmt nicht, immer auf Nummer sicher zu gehen.
InletzterSekunde,geradealsihrklarwurde,dasssiesichmitSicherheiteinigeKnochenbrechenwürde,drangRaphaelinihreGedankeneinundkorrigierteihrenAbstiegswinkelso,dasssiedenAstergreifen,sichhinaufziehenundeinBeindarüberschwingenkonnte,ohnesichzuverletzen.Siefunkelteihnbösean. Hör auf, mich zu manipulieren, wann immer dir danach ist.
Eine gefährliche Pause. Wäre es dir lieber gewesen, die nächsten paar Wochen einen Gips zu tragen?
Es wäre mir lieber, das hier selbst zu lernen.
Und doch versuchst du, durch die Wolken zu stoßen, obwohl du kaum geradeaus fliegen kannst.
Wut brodelte in ihrem Blut. Komm herunter zu mir und sag mir das ins Gesicht.
Einen Augenblick später wurde ihr Haar von einem Windstoß zurückgeweht, und dann schwebte Raphael neben ihrem Ast. In seinen betont maskulinen Gesichtszügen loderten die Augen in dem metallischen Chrom, das nie etwas Gutes verhieß. »Du solltest nicht solch weite Strecken fliegen, und schon gar nicht jagen « , sagte er mit der Arroganz eines Unsterblichen, der weit über tausend Jahre gelebt hatte. »Du musst noch mindestens ein paar Jahre in der Zufluchtsstätte verbringen .«
Sie schnaubte. »Engel verbringen diese Zeit in der Zufluchtsstätte, weil sie wirklich Kleinkinder sind. Ich bin ziemlich erwachsen .«
»Bist du dir da sicher ?« Mit kalter Stimme. »Der Versuch, sich bei einer Landung ohne Erfolgsaussichten die Knochen zu brechen, klingt eher nach etwas, das eine Fünfjährige tun würde .«
Sie änderte ihre Position so, dass sie beide Beine vom Ast herabhängen ließ und die Flügel hinter sich weit abgespreizt hielt, um das Gleichgewicht zu halten. Sie klammerte sich an den Ast, um sich zu beruhigen. »Weißt du, was ich glaube, Raphael ?« , sagte sie, während sie die Fingernägel in die Rinde bohrte, »ich glaube, du suchst Streit .«
Kein Wort von dem Unsterblichen vor ihr, dessen Gesicht so ernst war, dass sie fast geglaubt hätte, sie hätten sich niemals geliebt, niemals zusammen gelacht.
»Das « , sagte sie und beugte sich vor, »kannst du haben .«
Um seine Flügel erschien das Glühen, das sie von ihm kannte, wenn er ärgerlich war. Sie wich nicht von der Stelle. Denn auch das war ein Teil von ihm, und sie konnte ihn entweder so nehmen, wie er war, mit allem, was dazugehörte, oder einfach gehen. Letzteres war
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