Gildenhaus Thendara - 7
natürlich sofort gehen”, brachte sie schließlich mühsam heraus. „Wir dürfen es nicht zulassen, daß du mit deinem Ehrgeiz Übergangen wirst” Sie benutzte die schneidend herabset
zende Form, wie man von einem speichelleckenden Pöstchenjäger sprechen würde, der herumschnüffelt und besticht und beschwatzt, aber er schien nicht zu merken, daß sie ihn beleidigt hatte, und Jaelle fragte sich, wie sie seine Gegenwart jemals hatte ertragen können. Er war nicht der Mann, den sie auf Ardais geliebt hatte, er war überhaupt kein Mann. Er war ein dreckiger kleiner intrigierender Karrieremacher, den nichts als seine Beförderung interessierte. Warum hatte sie das nicht früher erkannt? „Ich wußte doch, daß du es einsehen würdest. Schließlich ist es auch dein Vorteil, wenn ich vorankomme”, lächelte Peter.
Natürlich, jetzt ist er zufrieden, weil er seinen Willen durchgesetzt hat. Er hatte einen Kuß auf ihre Stirn gepflanzt, bevor sie sich abwenden konnte. Jaelle stand unbeweglich in der Mitte des großen Zimmers, legte nicht einmal ihre Überkleidung ab. Tränen brannten ihr in den Augen. Sie hatte so viele Entschuldigungen gebraucht, um ihn nicht als den zu sehen, der er war. Und jetzt saß sie in der Falle, jetzt trug sie sein Kind. So muß sich Melora - meine Mutter - in den Trockenstädten vorgekommen sein. Sie hat immerzu daran geglaubt, daß die Retter unterwegs seien, daß ihre Familie sie auslösen würde. Und dann sollte ich geboren werden, und sie erkannte: Ganz gleich, was geschah, ob Rettung kam oder nicht, die Welt würde nie wieder die gleiche sein.
Ich bin an meinen Arbeitsvertrag gebunden, und wenn Peter von dem Kind erfährt, läßt er mich nie mehr gehen.
… daß ich ein Kind nur dann gebären will, wenn es mein Wunsch ist… Weder die Familie noch der Clan des Mannes, weder Fragen der Erbfolge noch sein Stolz oder sein Wunsch nach Nachkommenschaft… hallten die Worte des Eides in ihrem Kopf wider. Sie hatte ihren Eid gebrochen! Das hatte sie schon im Amazonen-Gildenhaus an dem Abend, als sie über Kinder sprachen, erkannt, und jetzt konnte sie die Augen vor dem Wissen nicht mehr verschließen. Sie war blind gewesen, und jetzt sah sie klar… Die Dienerin an der Tür hatte sich die ganze Zeit still verhalten, aber jetzt kam sie, nahm Jaelle behutsam den Mantel ab, legte ihn beiseite und fragte mit leiser, ehrerbietiger Stimme, ob sie der Dame eine Erfrischung bringen dürfe. Jaelle kannte das weder aus dem Gildenhaus, wo keine Frau die Dienerin einer anderen war, noch von
den Terranern, wo es überhaupt keine menschlichen Dienstboten gab, und so machte es sie verlegen, daß die Frau sie von ihrem Mantel befreite. Sie murmelte einen Dank und lehnte die Erfrischung ab. Sie wollte nichts als allein sein, wollte sich mit der neuen Erkenntnis, die sich ihr aufgedrängt hatte, irgendwie abfinden.
Aber die Frau ging nicht. „Wenn Ihr Euch genügend erfrischt habt, möchte Lady Rohana Euch in ihrem Wohnzimmer sprechen”
Das war das letzte, was Jaelle sich wünschte. Aber sie hatte die ComynBurg aus freien Stücken betreten, und jetzt war sie wie jede andere Frau der Domänen den Comyn Untertan. Rohana war ihre Verwandte, mehr noch, sie war eine Wohltäterin des Gildenhauses, und es gab absolut keine Möglichkeit, ihrer höflichen Aufforderung nicht nachzukommen. Jaelle hätte es hinausschieben können, wenn sie gesagt hätte, sie sei zu müde, um sich zu unterhalten, oder wenn sie um etwas zu essen oder zu trinken gebeten hätte, was Rohana ihr nach den Gesetzen der Gastfreundschaft nicht verweigern konnte. Aber warum wollte sie eigentlich nicht mit Rohana sprechen, die ihr nie etwas anderes als die größte Freundlichkeit erwiesen hatte?
In dem kleinen Wohnzimmer, das der identische Zwilling des Raums auf Ardais war, wo Rohana die Abrechnungen des Gutes mit ihrem Verwalter durchging und in Vertretung Dom Gabriels Bittsteller empfing, wartete Rohana auf sie.
„Komm her, mein liebes Kind”, sagte sie, und aus Gewohnheit wollte Jaelle schon ihren Platz auf dem Schemelchen an Rohanas Knie einnehmen. Dann wurde ihr bewußt, was sie tat. Sie trat zurück und setzte sich auf einen geradlehnigen Stuhl am anderen Ende des Zimmers. Rohana sah ihr zu und seufzte.
„Ich war im Gildenhaus”, erzählte sie, „aber die Älteste, die gerade Dienst hatte, konnte mir nur sagen, daß du bei den Terranern arbeitest, und ich wußte nicht, wie ich dich dort suchen sollte. Ich bin zumindest teilweise
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