Gildenhaus Thendara - 7
im Bett, fluchte halblaut und griff nach ihren Strümpfen.
„Was ist? Wer braucht mich?” fragte Magda.
„Mutter Lauria, unten”, antwortete Irmelin. „Da ist eine Besucherin, und aus irgendeinem Grund kannst nur du mit ihr reden. Die Frau hat eine schreckliche Hautkrankheit, sie ist ganz verfärbt, dunkel wie ein cralmac…”
Cholayna, dachte Magda, sprang aus dem Bett, schnappte sich ein paar Kleidungsstücke und lief, sich das Gesicht mit eiskaltem Wasser zu waschen. Was, zum Teufel, kann sie hier wollen? Und ist Jaelle dabei? Nein, Cholayna war allein gekommen und unterhielt sich im Fremdenzimmer freundschaftlich mit Mutter Lauria. Als Magda eintrat, sagte die Gildenmutter: „Ich lasse euch beiden jetzt allein, aber ich hoffe, daß ihr nach einer Weile zu mir kommen werdet. Margali, du hast noch nicht gefrühstückt. Soll ich Tee und Brötchen in mein Büro bringen lassen? Mestra, darf ich Euch ein Frühstück anbieten?”
Cholayna lächelte und nickte, und Mutter Lauria ging. „Ich hatte vergessen, daß hier gestern ein Feiertag war”, erklärte Cholayna, „und daß einige von euch noch schlafen würden. Als sie dich nicht in deinem Zimmer fanden, dachten sie erst, du schliefest außerhalb, wie es manche Frauen in der Festnacht tun” Blitzartig erstand vor Magdas geistigem Auge das Bild Rafaellas, wie sie mit ihrem zerzausten Haar und der Jacke, unter deren geöffneter Verschnürung die Brüste zu sehen waren, mit dem Gardisten wegging. Aber war sie selbst besser? Sie hatte den gestrigen Vormittag in Montys Armen verbracht, und heute morgen hatte man sie in Camillas Bett suchen müssen. Unsinn, sie war eine erwachsene Frau. Cholayna kümmerte es nicht, wo oder mit wem sie schlief. Magda riß sich zusammen und rief sich energisch ins Gedächtnis zurück, daß sie gestern abend gekündigt hatte. Unverblümt sagte sie: „Warum bist du hergekommen? Mit mir hat es auf jeden Fall nichts mehr zu tun. Nein, diesmal ist es mir ernst, Cholayna. Du kannst es mir nicht wieder ausreden, wie du es an deinem ersten Tag hier gemacht hast. Was schulde ich dir noch?”
„Mir nichts”, antwortete Cholayna, „aber deinen Schwestern und vielleicht dir selbst. Du hast eine sehr seltene Chance bekommen, Margali” Sie nannte Magdas darkovanischen Namen, und Magda wunderte sich. Aber sie blieb mißtrauisch.
„Fängst du wieder davon an, Cholayna? Das habe ich alles schon gehört, und es hat mir nichts als Leid gebracht. Immer bin ich zwischen zwei Welten hin - und hergerissen worden, ohne in einer von beiden jemals zu Hause zu sein…” Zu ihrer eigenen Verwunderung merkte Magda, daß ihre Augen brannten, als werde sie gleich weinen. Entsetzt unterdrückte sie den Drang und fragte sich: Über was in aller Welt habe ich zu weinen? Ich bin wütend, nicht unglücklich! Und dann flutete eine solche Welle des Elends über sie hin, daß sie die Zähne zusammenbeißen mußte. Sie wußte, wenn sie eine einzige Träne vergoß, würde sie weinen und weinen, bis sie sich wie Alice im Wunderland in einem See von Tränen auflöste. Ihre Stimme klang gepreßt. „Jeder, der mir das gesagt hat, wollte mich auf die eine oder andere Weise ausnutzen. Wann kann ich einfach ich selbst sein und tun, was für mich und nicht für hundert andere Leute gut ist?”
„Wenn du in deinem Grab liegst”, antwortete Cholayna sanft. „Kein lebender Mensch lebt nur für sich selbst. Jeder einzelne ist so oder so von den anderen abhängig, und wer etwas tut, das nicht dem Allgemeinwohl dient, ist wenig besser als ein Mörder!”
„Deine Religion interessiert mich nicht!” Magda schrie beinahe. „Das ist nicht Religion.” Das Gesicht der anderen Frau zeigte eine unheimliche Ruhe. „Philosophie vielleicht. Es ist nichts als eine Tatsache. Niemand kann etwas tun, ohne allen, mit denen er irgendwie in Kontakt steht, zu helfen oder zu schaden. Nur ein Tier berücksichtigt das nicht!” Ihr Gesicht wurde weicher. „Du bist mir sehr teuer, Magda. Ich habe nie Kinder gehabt; vor vielen Jahren kam ich zu dem Schluß, Kinder seien nichts für mich, weil ich sie nicht unter meinem Volk großziehen könnte. Sie wären in die Nischen und Ritzen eines Lebens hineingestopft worden, das mich von Welt zu Welt führt. Ich hatte gehofft, in dir etwas zu finden, das andere Frauen in ihren Töchtern finden - ein Gefühl der Kontinuität…” Sie hielt inne, und Magda, die bereit gewesen war, ihr eine grobe oder zornige Antwort ins Gesicht zu schleudern, fand
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