Gildenhaus Thendara - 7
war noch voll von der Diskussion. Natürlich war das eine ganz einfache Therapie, die die Menschen zwang zu denken, zu protestieren, alte gedankliche Gewohnheiten aufzubrechen. Doch sie hoffte sehr, nicht alle Sitzungen würden so sein. Sie fühlte sich außerordentlich unbehaglich; ihre Gedanken kreisten immer noch um die gestellten Fragen und die vielen Antworten, die sie hervorgerufen hatten. Warum hatte sie sich entschlossen, eine Amazone zu werden? Was ist der Unterschied zwischen Männern und Frauen? Wieder und wieder formulierte sie im Geist Antworten neu, die sie hätte geben können, und das, vermutete sie, war der Grund für die Diskussion. Sie hörte eine der Frauen zu einer anderen sagen: „Es ist eine intelligente Gruppe”, worauf die zweite skeptisch zurückgab: „Da bin ich mir nicht so sicher”
„Oh, sie werden lernen”, meinte die erste. „Das haben wir alle getan” Magda ging zu Doria, deren Augen immer noch rot waren. Das Mädchen fragte „Ich habe mich lächerlich gemacht, nicht wahr?”
„Das war ja ihre Absicht”, antwortete Magda leichthin. „Kopf hoch, deine Antworten waren nicht dümmer als die meinen”
„Aber ich bin hier aufgewachsen, ich hätte es besser wissen müssen” Doria drohte von neuem in Tränen auszubrechen. Eins der jüngeren Mädchen Magda erkannte sie als eine von Dorias Zimmergefährtinnen - kam, nahm Doria in die Arme, sprach tröstend auf sie ein und führte sie weg. Magda hob den Blick und sah, daß Keitha sie mit etwas ironischem Lächeln betrachtete.
„Feuerprobe”, murmelte Keitha. „Glaubst du, wir haben sie überlebt, Mitopfer?”
Magda lachte. „Das glaube ich schon, denn es war ja ihr einziges Ziel, uns in die Verteidigung zu drängen. Wahrscheinlich wird es schlimmer werden, bevor es besser wird”
„Ob alle Sitzungen so verlaufen?” fragte Keitha laut, und eine Frau, die heute abend nicht dabeigewesen war - sie war Magda als Marisela, die Hebamme und Heilerin des Hauses, vorgestellt worden -trat näher und lächelte ihnen beiden zu. „Nein, natürlich nicht”, sagte sie. „Die nächste Sitzung werde ich leiten. Dann weihe ich euch in alle weiblichen Mysterien ein, denn einige von euch mögen Mütter gehabt haben, die zu scheu waren, darüber mit ihren Töchtern zu sprechen”
„Wenigstens darin werde ich nicht so vollkommen unwissend sein”, erwiderte Keitha. „Ich habe auf dem Gut meines Mannes den Wöchnerinnen beigestanden, und es hieß, ich hätte einiges Geschick zur Hebamme”
„Oh, wirklich?” fragte Marisela interessiert. Sie war eine hübsche Frau und trug nicht die Stiefel und Hosen einer Amazone, sondern normale Frauenkleidung, einen karierten Rock und einen Schal über einer weitärmligen Jacke mit Leibchen. „Dann wird nicht mehr die Rede davon sein, dich in einem Beruf auszubilden. Vielleicht schickt man dich ins Gildenhaus von Arilinn, sobald dein halbes Jahr vorüber ist, damit du die Hebammenkunst und einige der besonderen Fähigkeiten lernst, die die Frauen in den Türmen an uns weitergegeben haben. Wenn du auch nur eine Spur von Laran haben solltest, wäre das sehr nützlich. Was ist mit dir, Margali? Hast du irgendwelche Kenntnisse als Heilerin oder Hebamme?” „Keine”, gestand Magda. „Ich kann auf Reisen eine Aderpresse anlegen und eine Schnitt- oder Kratzwunde verbinden, sonst aber nichts” Marisela zog Keitha mit sich fort, und die beiden setzten sich hin, um miteinander zu reden. Magda jedoch dachte über das Wort Laran nach, das Marisela benutzt hatte. Es war der darkovanische Ausdruck für umfassende Telepathie, Clairvoyance und alle psychischen Künste. Rohana hatte Magda während des auf Ardais verbrachten Winters getestet und ihr erzählt, auch sie sei auf diesem Gebiet ein wenig begabt.
Hatte sie auf diese Weise die merkwürdigen Visionen empfangen? Hatte sie sich mit dem Laran, das sie nicht wirklich verstand und nicht kontrollieren konnte, ohne Absicht in das Treffen der Schwesternschaft eingeschlichen? Für einen Augenblick hatte sie den Eindruck, sie sehe den grauen Mantel Avarras um die schlanken Schultern Mariselas liegen… Sie zwang ihre Gedanken in die Wirklichkeit des Musikzimmers zurück und sah sich die Instrumente an. Einige waren ihr vertraut; ihre Mutter, deren Leben dem Studium darkovanischer Volksmusik gewidmet gewesen war, hatte mehrere davon gespielt. Magda erkannte ein paar Rryls, sowohl kleine, die man in der Hand hielt, als auch eine große, die man stehend spielte; sie waren
Weitere Kostenlose Bücher