Gilgamesch - Der Untergang
gleichzeitig treffen, haben wir kaum eine Chance, dem Abgrund zu entgehen“.
Doktor Lauterbach machte eine Pause, lies seine Worte wirken und schaute hinaus aufs Meer. Durch die Strenge seiner Gesichtszüge, in denen sich etwas Stoisches mit Schmerz und Trauer mischte, sah Hannes Molander bestürzt, dass dieser Mann, der als Kämpfer ausgebildet worden war, resigniert hatte.
Doktor Lauterbach wandte sich ihm zu, und sein Lächeln stand in krassem Gegensatz zu dem, was seine müden Augen zum Ausdruck brachten.
„Ich werde Ihnen erzählen, was ich weiß, denn eines ist mir klar geworden: Wir haben, wenn überhaupt, nur dann eine winzige Chance, wenn wir sämtlichen klugen Köpfen dieses Planeten reinen Wein einschenken, damit die größte je da gewesene Gleichschaltung menschlicher Intelligenz in einer gemeinsame Anstrengung einen Ausweg findet“.
Sein erneutes Lächeln war freudlos. Die folgende Pause verstand Hannes Molander als die nicht ausgesprochene Frage.
„Und sie wollen mich in diesen erlesenen Kreis aufnehmen, einen unbedeutenden Vogelkundler von einer der kleinsten Inseln der Welt?“, fragte er ungläubig, beinahe spöttisch. Doktor Lauterbach wurde ernst.
„Seien sie nicht zu bescheiden. Ich habe viele Ihrer Veröffentlichungen gelesen. Sie sind brillant und was mir wichtiger erscheint…“.
Er schien nach dem richtigen Wort zu suchen.
„…ehrlich trifft es vielleicht am besten. Es gibt zu viele arrogante Wissenschaftler, die ihre Erkenntnisse für absolut halten. Sie hinterfragen sich nicht, sondern vergeuden ihre Energie damit, andere Meinungen zu bekämpfen. Ich bin fest davon überzeugt, dass sie Rückschläge offen zugeben und sie als Ansporn für einen ganz neuen Ansatz nehmen, der dann zum Erfolg führt. Wir brauchen Leute, die sich in ein Problem verbeißen, anderen zuhören und durch den Dialog mit allen Disziplinen die Fakten objektiv bewerten. Sind sie dabei?“
Vielleicht hatte Doktor Lauterbach recht. Hannes Molander nickte und Herr Lauterbach fuhr fort:
„Ich heiße übrigens Hans.“
„Hannes“, erwiderte er mit einem Lächeln über die zufällige Namensverwandtschaft und drückte die angebotene Hand.
„Wir haben eine internationale Kommandozentrale mit ganz komfortablen Unterkünften eingerichtet. Es sind bereits namhafte Wissenschaftler dort. Das Verteidigungsministerium hat finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt, sicher auch deshalb, weil einige von uns bei den Streitkräften dienen, damit direkt der Regierung unterstehen und mit Geheimhaltung umgehen können“.
Hannes Molander runzelte skeptisch die Stirn.
„Um Deine Bedenken zu zerstreuen: Nein, es ist keine militärischen Operation. Wir suchen eine Lösung, die das Überleben aller Menschen sichert. Musst Du jemanden benachrichtigen, bevor wir aufbrechen?“
Hannes Molander schluckte. „Nein, …das heißt, vielleicht meinen Arbeitgeber“.
„Das erledigen wir für Dich“, erwiderte Herr Lauterbach.
„Wohin geht denn die Reise?“
„Das hatte ich noch nicht erwähnt. Wir haben uns für den Mauna Kea entschieden“.
„Auf Hawaii?“, fragte Hannes Molander ungläubig.
„So ist es. Ein Militärhubschrauber holt uns hier in einer halben Stunde ab. Schaffst Du das?“
„Dann muss ich leider auf das herrliche Buffet verzichten und packen“.
Hans Lauterbach nickte knapp mit einem schiefen Lächeln.
„Meinst Du nicht, dass der Sauerstoffmangel auf viertausend Metern die Aussicht auf vernünftige Gedanken ziemlich trübt? Vermutlich werden einige Kollegen auf dem Mauna Kea sofort ohnmächtig, außer sie sind vielleicht Triathleten“.
„Im Gegenteil. Mäßiger Sauerstoffmangel erhöht den Wachzustand und fördert Adaptationsmechanismen, die dem logischen Denken auf die Sprünge helfen. Es ist so, dass der Organismus in eine Stresssituation gerät, in der er auf intensives Nachdenken umschalten muss, um der Gefahr zu begegnen. Wir haben große Studien dazu gemacht mit erstaunlichen Resultaten“, ergänzte Hans Lauterbach mit glänzenden Augen.
„Und für diese Versuche hattet ihr sicher ein ganzes Heer Freiwilliger?“, bemerkte Hannes Molander zynisch.
„Du musst Dich beeilen“, erwiderte Hans Lauterbach mit einem Gesichtsausdruck, aus dem jede Spur von Herzlichkeit verschwunden war.
27.
Klara hatte sich zunächst über die vielen Geschenke und Spielsachen gefreut, die Onkel Paul ihr gekauft hatte. Sie war ein sehr selbstständiges Mädchen, das allerdings den Starrsinn ihrer
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