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Gilgamesch - Der Untergang

Gilgamesch - Der Untergang

Titel: Gilgamesch - Der Untergang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Geist
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Schauspieler gewesen, hatte eine Rolle für andere gespielt und schließlich selbst geglaubt, der zu sein, den er mimte.
    Er musste einen Neuanfang wagen und Carolin die Chance geben, ihn so zu sehen, wie er wirklich war. Er hatte Angst davor. Vielleicht lauerte hinter seiner Maske ein hässlicher Gnom, den er gar nicht sehen wollte.
    Schweiß stand auf seiner Stirn. Er war erschöpft, drehte sich zur Seite und schlief ein.
    Er erwachte erst, als Silvia an seine Tür hämmerte und ihn ungeduldig daran erinnerte, dass es bereits acht Uhr sei. Er erwiderte gereizt, dass er sich erst frisch machen wolle, und begab sich in das kleine Badezimmer. Als er in den Spiegel sah, erschrak er über die tiefen, dunklen Ränder unter seinen Augen. Er war gealtert. Dieses Abenteuer zehrte an seiner Substanz.
    Der Schlaf hatte ihn nicht erfrischt. Auf dem Gang stand eine Espressomaschine. Würden sie auch hier Drogen in den Kaffee mischen?
    Er verwarf den Gedanken. Nach dem zweiten doppelten Espresso fühlte er seine Lebensgeister zurückkehren. Dafür nahm er gerne die Magenschmerzen in Kauf, die das Koffein auslöste, denn er wollte unbedingt konzentriert das unglaubliche Artefakt untersuchen, das sie gestern aus der Aureliuskirche entwendet hatten.
    Als er im Labor erschien, saßen Herr Gryphius und Silvia bereits ungeduldig auf zwei Laborhockern und sprachen leise miteinander.
    Er meinte seinen und Herberts Namen gehört zu haben, doch als er eintrat verstummten sie. Herr Gryphius setzte sofort sein maskenhaftes Lächeln auf und begrüßte ihn, nicht ohne höfliches Verständnis für seine Unpünktlichkeit zu bekunden.
    Herbert schlurfte einen Augenblick später in den Raum. Seiner wirren Frisur nach zu urteilen hatte er noch nicht in den Spiegel geschaut. Er wirkte mürrisch und nicht wirklich erholt. Dennoch zwang er sich zu einem knappen Lächeln und begab sich ohne Umschweife zum hell erleuchteten Arbeitstisch des Labors, auf dem die silberbeschlagene Kiste stand.
    „Wir sind gerade erst eingetroffen und haben nichts berührt. Ich finde, dass ihnen sowohl als Experten wie auch eigentlichen Entdeckern dieses archäologischen Schatzes die Ehre gebührt“.
    Herr Gryphius machte Platz und Herbert drängte sich zwischen ihn und Silvia. Er klopfte die Kiste ab. Weder Klang noch Gewicht entsprachen einer massiven Metallkiste. Christopher schaute Herbert über die Schulter.
    Herbert presste einen schmalen Stahlmeißel in den Spalt an der Oberseite und hebelte den Deckel vorsichtig ab. Darunter kam das zum Vorschein, was alle erwartet hatten:
    Graue Knochenfragmente wahrscheinlich einer Hand und ein kleiner Stofffetzen, dessen Farbe vermutlich einmal ein kräftiges Rot gewesen, über die Jahrhunderte aber zu einem schmutzigen Braun verblasst war.
    Herbert nahm alles behutsam heraus, und obwohl er kein gläubiger Mensch war, erwies er den sterblichen Überresten des Heiligen Aurelius den gebührenden Respekt, indem er sie auf ein rotes Samttuch bettete, das er zu diesem Zweck bereitgelegt hatte. Die Kiste war auch innen mit einem Blech ausgeschlagen, das im Unterschied zur Außenseite goldfarben glänzte. Herbert löste vorsichtig die kleinen Nägel, die das Metall mit dem Holz verbanden, und entfernte die äußere und innere Schale. Er ließ sich Zeit.
    Silvia trommelte ungeduldig mit den Fingern auf den Tisch, bis sie Herr Gryphius mit einem unzweideutigen Blick ansah. Der Holzkern des Kästchens war dunkel, fast schwarz. Er war sehr viel älter als der Beschlag und Christophers und Herberts Puls beschleunigte sich, als sie feststellten, dass er aus einem Stück bestand.
    „Es ist ein Baumstamm, der ausgehöhlt wurde, ähnlich einem Einbaum“, erklärte Herbert aufgeregt.
    Der Handwerker hatte aus dem Holz so viel heraus gestemmt, wie für die Aufnahme der Reliquie erforderlich war.
    „Das ist sehr ungewöhnlich, denn es ist sehr viel einfacher, eine Holzkiste aus einzelnen Brettern zusammenzunageln. Herbert hob das Holz vorsichtig in die Höhe und drehte es nach allen Seiten. Was am Boden zunächst aussah wie ein Astloch, erregte seine Aufmerksamkeit. Christopher erkannte es zuerst.
    „Schau Dir den Rand des Loches mal genau an. Die Maserung des Holzes ist zwar nur noch schlecht zu erkennen, aber ich meine sie läuft eindeutig durch das Loch hindurch. Das heißt wohl, dass es nicht natürlichen Ursprungs ist, sondern hinein gebohrt wurde“.
    „Ich würde eher sagen hineingeschlagen“, erwiderte Herbert beinahe flüsternd,

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