Gillian Shields - Der Zauber der Steine
war’s. Es kam nicht von Herzen, und das machte alles noch viel schlimmer. Tony ist zwar mein Vater, aber er ist mir immer noch fremd. Ich weiß nicht, ob ich jemals zu ihm und seiner Familie gehören werde.« Ihre Stimme war nur noch ein Flüstern.
»Du gehörst zu uns«, sagte ich entschieden, »oder was meinst du, Evie?«
In diesem Moment schwor ich mir, dass ich immer für die beiden da sein würde, was immer auch passieren mochte. Ich war davon überzeugt, dass Evie sich irrte. Es war noch nicht vorbei, der Mystische Weg war noch nicht zu Ende. Die Zeichen waren überall. Meine Träume, die Trommeln, der stechende Blick dieses hasserfüllten Gesichts: Dieses Tal war voller Gefahren für mich und meine Schwestern. Ich musste Josh vergessen, ich musste Cal vergessen, einfach alles. Es ging um unser Leben. »Wir gehören zusammen, nichts kann uns trennen«, sagte ich. »Wir sind Schwestern. Habt ihr das etwa vergessen?«
»Schwestern«, murmelte Evie, und Helen sagte leise: »Danke, Sarah.«
Von jetzt an würde ich wieder so sein, wie ich für meine Schwestern sein musste: stark, fürsorglich und ausgeglichen, verlässlich und beschützend, wie die uns umgebende Natur. All meine Wünsche, Sehnsüchte und Hoffnungen würde ich tief in meinem Innern vergraben.
Ich setzte mich neben Helen und Evie an einen der langen Holztische. Der kühle Speisesaal mit der gewölbten Decke wimmelte von Schülerinnen unterschiedlicher Altersstufen, die nicht nur alle die gleiche Wyldcliffe-Uniform trugen, sondern auch die gleiche gelassene Selbstsicherheit ausstrahlten. Es waren etwa zweihundert. Einen Augenblick später läutete es, und die Mistresses zogen in den Speisesaal ein. In ihrer schwarzen akademischen Tracht sahen sie aus wie ein Schwarm Krähen. Die Schülerinnen erhoben sich respektvoll von ihren Stühlen. Ich hatte allerdings den Eindruck, dass der Speisesaal nicht ganz so voll war wie sonst. Außerdem konnte ich Velvet nirgends entdecken, aber bevor ich mir zu viele Gedanken machen konnte, begann Miss Scratton zu sprechen.
»Mit großer Freude begrüße ich euch als neue Direktorin in Wyldcliffe. Das Sommerhalbjahr ist üblicherweise eine heitere Zeit, und ich werde alles dafür tun, dass es auch dieses Mal so sein wird, besonders nach den zurückliegenden traurigen Ereignissen. Ich möchte außerdem den hohen akademischen Standard halten, den Mrs Hartle hier etabliert hat, deren Verlust uns immer noch vor Augen ist.« Miss Scratton machte eine Pause und blickte bedeutungsvoll in die gespannten Gesichter. Dann fuhr sie fort: »In Wyldcliffe blicken wir auf eine große Vergangenheit zurück. Tradition war immer eine der Leitlinien dieser Schule. Als Historikerin sehe ich mich in der Pflicht, diese Philosophie fortzuführen und die Lehren aus der Vergangenheit zu ziehen. Und doch müssen wir in die Zukunft blicken. In anderen Worten, wir müssen uns den Herausforderungen der modernen Zeit stellen.«
Aufgeregtes Gemurmel machte sich breit, als hätte sie einen Brandanschlag auf die Schule angekündigt. Einige Lehrerinnen reagierten mit deutlicher Missbilligung.
»Unsere doch sehr bescheidene Ausstattung mit Computern wird aufgestockt werden. Außerdem schaffen wir neue Bücher an«, fuhr Miss Scratton fort. »Die unbenutzten Bereiche im roten Flur jenseits der Bibliothek wurden während der Ferien in Aufenthaltsräume umgebaut, die abends genutzt werden dürfen. Dort gibt es Radio und Fernsehen, Spiele und Zeitschriften. Natürlich sollten diese neuen Medien mit Bedacht genutzt werden und nur dann, wenn alle Hausaufgaben erledigt und die Vorbereitungen für den nächsten Tag abgeschlossen sind. Darüber hinaus bin ich entschlossen, Wyldcliffe der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Wir stehen schon zu lange in dem Ruf, exklusiv und ausgrenzend zu sein, und dieses Bild muss sich ändern. Ich habe eine Gruppe Grundschulkinder aus dem Dorf eingeladen, uns einmal in der Woche zu besuchen und das Schwimmbad und die Tennisplätze zu nutzen. Ich hoffe, das wird dazu beitragen, die bestehenden Vorurteile abzubauen. Außerdem wird es in diesem Schuljahr eine Reihe von Veranstaltungen jenseits der Schulmauern geben, die in einem Sommerfest ihren Abschluss finden werden. Für die jüngeren Mädchen wird es eine Gartenparty und Schwimmwettkämpfe geben, für die älteren unter euch wird ein Tanzabend veranstaltet. Ich habe diesbezüglich bereits Kontakt mit der St. Martin’s Academy aufgenommen. Ihr wisst ja, dass diese
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