Gillian Shields - Der Zauber der Steine
auch Miss Dalrymple hatte täuschen können. Wir wussten, dass sie zu Celia Hartles engstem Kreis gehörte, obwohl sie uns beim Hinausgehen mit einem heuchlerischen Lächeln bedachte. Dann schloss sie die Tür hinter uns und war mit Miss Scratton allein. Ich blickte Helen und Evie an, beide wirkten bedrückt und nachdenklich.
»Was meinte Miss Scratton mit morgen Nacht? Was glaubt ihr?«, flüsterte ich. »Wie könnten wir das rauskriegen? Wir müssen …«
»Müssen wir unbedingt jetzt darüber sprechen?«, fragte Evie erschöpft. »Mein Kopf bringt mich um. Ich bin sicher, Miss Scratton wird uns später über alles informieren, was wir wissen müssen. Können wir es bis dahin nicht einfach auf sich beruhen lassen?«
»Evie, wir können doch nicht …«
»Glaubst du wirklich, Miss Scratton will unsere Notizen über die Französische Revolution sehen?«, unterbrach sie mich. Sie war bleich und stierte ins Leere.
»Ich weiß nicht, aber wir sollten so tun als ob«, meinte ich unsicher, »immerhin hat Miss Dalrymple mitgehört. Wir sollten uns genauso verhalten, als wäre Miss Scratton nicht mehr und nicht weniger als unsere Direktorin.«
»So ein Mist. Ich wollte … na ja. Ich gehe sofort in die Bibliothek und fange an.«
»Wir können es zusammen machen«, bot ich ihr an.
»Nein, ist schon in Ordnung.« Evie ging in Richtung Bibliothek davon. Helen sah ihr nach, zuckte mit den Schultern und schlug den Weg zum Park ein. Was passierte mit uns? Ich versuchte uns zusammenzuschweißen zum Schutz gegen unsere Feinde, aber es kam mir vor, als wollte ich Rauch fangen.
Ich seufzte. Mir blieb nur ein einziger Trost, meine Pferde. Ich würde noch einmal zu den Ställen hinuntergehen, bevor ich mit den Geschichtsnotizen beginnen würde. Als ich fünf Minuten später den kopfsteingepflasterten Weg entlangging, wurde mir eng in der Brust. Josh machte gerade eine Pause, er saß auf einem Strohballen, die langen Beine ausgestreckt. Er blickte auf und lächelte mich an. »Hey! Sarah!«
Ich erwiderte sein Lächeln. Einen Moment lang dachte ich, dass er sich freute, mich zu sehen. Aber nur einen kurzen Moment.
»Hast du Evie gesehen?« Josh sprang auf und kam freudestrahlend auf mich zu. »Sie hat mir versprochen, dass wir uns nach der Schule treffen. Sie müsste jetzt aushaben.«
Mein Lächeln gefror. Wie hatte ich nur so naiv sein können? Sein Desinteresse verletzte mich. Ein krampf artiges Gefühl zog meinen Magen zusammen. Ich war ja so blöd. Josh wollte mich gar nicht. Und er war damit nicht allein. Helen zog sich in sich selbst zurück, und Evie, meine allerbeste, engste Freundin, hatte mir sehr deutlich gemacht, dass sie mich nicht brauchte. Ich hatte mir eingebildet, der stabile Anker unserer kleinen Welt zu sein, aber es sah ganz so aus, als hätte ich mir etwas vorgemacht. In diesem Moment fühlte ich mich verletzt und nutzlos.
»Sarah? Ich habe nach Evie gefragt. Weißt du, wo sie ist?«
»Ähm, Miss Scratton hat uns eine Sonderaufgabe gegeben. Evie ist deswegen in die Bibliothek gegangen. Ich weiß nicht, wie lange sie brauchen wird.«
Josh runzelte die Stirn. »Ach, wie ärgerlich. Ich muss jetzt nach Hause und meiner Mutter helfen und dann noch lernen. Habe ich dir eigentlich erzählt, dass ich nächstes Jahr auf die Veterinärschule gehen werde?«
»Oh … nein. Das ist ja toll, Josh!«
Wieder überzog ein Lächeln sein Gesicht: »Ja, dieser Job hier macht mir zwar Spaß, aber ich denke, eine Karriere als Tierarzt ist besser, als für Leute wie Celeste Ställe auszumisten, oder?«
Ich lächelte schwach. »Oh, sicher.« Ich wollte nur noch weg. Das war alles noch schmerzhafter, als ich erwartet hatte. Ich fühlte mich plump und farblos und völlig unattraktiv für jede und jeden. Trotz aller guten Vorsätze kam mein Bedürfnis nach Anerkennung und Sympathie wieder hoch. Aber ich machte mir etwas vor. Mein Traum von Liebe und Zuneigung war genau das: ein Traum! Nichts als Einbildung.
»Ich habe Evie schon gestern davon erzählt«, plauderte Josh munter weiter. »Sie hat mir Mut gemacht, mich zu bewerben. Wir waren die ganzen Ferien über in Kontakt, und es tut so gut, sie wiederzusehen.«
Sie hatten sich also geschrieben und miteinander telefoniert. Wieder etwas, was mir Evie verschwiegen hatte.
»Ich wünschte, wir könnten uns noch sehen. Ich würde ihr gerne noch etwas zeigen, bevor ich gehe. Ich glaube, sie würde sich freuen.« Josh zögerte und musterte mich, als ob er sich über etwas klar
Weitere Kostenlose Bücher