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Gillian Shields - Der Zauber der Steine

Gillian Shields - Der Zauber der Steine

Titel: Gillian Shields - Der Zauber der Steine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Band 3
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hatte jedenfalls keine Angst vor ihm und bin sicher, dass ich Angst gehabt hätte, wenn er ein Verbrecher gewesen wäre. Ich hatte vor keinem der Brüder Angst. Vielleicht wäre es besser gewesen, wenn ich welche gehabt hätte.
    Die Krankenschwester kommt.
    Ich muss mein Tagebuch verstecken.

Elf
    Sarah, mein Liebling,
    versteck diesen Brief, nachdem du ihn gelesen hast. Ich könnte es nicht ertragen, wenn jemand außer dir ihn lesen würde, mein Romamädchen. Nur mit dir kann ich so reden, mit niemandem sonst. Es fällt mir sehr schwer, über meine Gefühle zu sprechen.
    Schon drei Wochen ist es her, dass ich und meine Familie Wyldcliffe verlassen haben, und seitdem war jeder Tag erfüllt von den Gedanken an die Zeit, die wir zusammen verbracht haben. Sie war viel zu kurz, aber die Erinnerungen sind ein wertvoller Schatz. Ich denke daran, wie wir über die Moors geritten sind und die Abendsonne deine Haare zum Strahlen brachte. Ich hätte dich so gerne in den Arm genommen und dich gefragt, ob du mit uns kommen möchtest, aber ich wusste, dass das unmöglich war.
    Das Schicksal hat bestimmt, dass unsere Wege sich trennen. Stattdessen sind mir nur meine Erinnerungen geblieben. Sie sind mein Trost. Aber eines Tages werde ich zurückkehren, und dann können wir wieder zusammen sein. Dann werde ich dich tausend Mal küssen, mein Engel …
    Für immer dein, Cal
    Ich habe diesen Brief nie bekommen. Selbst wenn Cal mir geschrieben hätte, diese Worte hätte er sicher nicht gewählt. Sie stammten aus den vielen Büchern, die ich in der Bibliothek ausgeliehen hatte, und sie hatten so gar nichts mit dem stolzen und unabhängigen jungen Mann mit den widerspenstigen Haaren zu tun, den ich getroffen hatte. Cal war eher zurückhaltend, sprach wenig und war dafür aber immer für eine Überraschung gut. Unter der harten Schale und seinem Misstrauen Fremden gegenüber hatte ich jedoch seinen wahren Charakter gespürt. Er war warmherzig, und er mochte mich, da war ich mir sicher. In der Nacht, als Mrs Hartle in den Moors starb und wir alle unter Schock standen, war es das Natürlichste der Welt gewesen, mich gegen Cals starke Schultern zu lehnen, seinen Trost zu suchen und seine Arme um mich zu spüren. Danach waren wir oft zusammen ausgeritten, und er hatte mir kleine Geschenke gemacht, eine Blume, eine Feder, eine geschnitzte Flöte, aber er hatte mich nie geküsst. Mein Körper brannte vor heimlicher Sehnsucht, aber nicht nach Josh, da war ich sicher.
    Als ich Josh davongehen sah, glücklich über die Aussicht, am nächsten Morgen Evie zu treffen, zwang ich mich zu der Einsicht, dass meine Gefühle für ihn nur ein kurzes Aufflackern gewesen waren, das so schnell wieder erloschen war, wie es sich entzündet hatte. Offiziell hatte ich Evie natürlich längst verziehen, dass Josh nicht mich, sondern sie attraktiv fand. Was hatte ich noch gesagt? Mein Herz ist nicht gebrochen, nur verletzt.
    Und es war nicht nur mein Herz, das verletzt war, es war auch mein Stolz. Wenn Cal geblieben wäre, wären die Dinge vielleicht anders gewesen, aber er war nun mal fort. Und er hatte nicht einmal geschrieben, und ich fühl te mich verlassen. Mein Stolz war sauer geworden wie Milch, die zu lange in der Sonne stand.
    Ich drückte Starlight ein letztes Mal ganz fest und verließ den Stall in Richtung Küchengarten. Hierher verirrten sich nur wenige Schülerinnen, von denjenigen einmal abgesehen, die selbst Blumen und Gemüse auf abgetrennten schmalen Beeten anbauten. Früher hatte ich diesen Ort geliebt, aber jetzt erschien er mir leblos und überwuchert. Heute war niemand hier, und ich setzte mich auf eine niedrige Steinbank, allein mit meinen trostlosen Gedanken.
    Ich war doch immer offen und ehrlich gewesen! Und trotzdem hatte ich meine innersten Gefühle geheim gehalten, Evie und auch mir selbst gegenüber. Obwohl ich Evie wie eine Schwester liebte, musste ich mir eingestehen, dass ich sie insgeheim beneidete. Wie hieß das noch? Geschwisterrivalität?
    Ich liebte Evie wegen ihrer Schönheit, ihrer Grazie und ihres Mutes, wegen ihrer Talente und wegen der geheimnisvollen Tiefen ihrer Persönlichkeit. Für mich war sie so etwas wie eine Meerjungfrau, mit ihren meergrauen Augen, der grazilen Figur und den langen roten Haaren. Sebastian hatte sie bedingungslos geliebt, fast bis in den Wahnsinn, und jetzt war es Josh, der bereit war, sie zu lieben, als wäre es das Natürlichste der Welt. Und ich? Ich war die pausbäckige Sarah, die gute Freundin

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