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Gillian Shields - Der Zauber der Steine

Gillian Shields - Der Zauber der Steine

Titel: Gillian Shields - Der Zauber der Steine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Band 3
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von allen und die Seelenfreundin von niemandem, mit den dreckigen Fingern vom Unkraut jäten, Pferde striegeln oder mit der Stallkatze spielen. Bei mir gab es nichts Geheimnisvolles. Nichts, was diesen verklärten begehrlichen Blick herausforderte, nach dem ich mich so sehr sehnte.
    Ich bin versucht, diesen Teil der Geschichte zu unterschlagen, um mich selbst in einem besseren Licht dastehen zu lassen, aber das werde ich nicht tun. Der Mystische Weg ist der Weg zur Heilung und der Mut, sich zur Wahrheit über die Krankheit zu bekennen, der erste Schritt, um gesund zu werden.
    Als ich gedankenverloren auf der Steinbank saß, inmitten dieses leeren, frostigen Gartens, drohte das Selbstmitleid mich zu überwältigen. Aber das Versprechen, das ich mir gegeben hatte, zog mich wie eine schwere Kette in die Gegenwart zurück.
    Ich stand auf und steckte Joshs Umschlag in meine Tasche. Es war sinnlos, über melancholische Träume von Liebe und Romantik zu brüten, während meine Schwestern in Gefahr waren. Miss Scratton hatte gesagt, dass es etwas gäbe, mit dem wir uns schützen konnten. Ich konnte wenigstens herausfinden, was es war, und es dann tun, was auch immer es war und was auch immer es mich kosten würde. Es wäre ein Weg, meine hässlichen Gefühle zu verstecken und anderen von Nutzen zu sein, anderen zu beweisen, dass ich sie liebe und im Gegenzug ihre Liebe verdiente.
    Ich will gut sein.
    Ich will stark sein.
    Ich will Sarah sein.
    Ich fand Evie im Musiksaal, wo sie gerade Partituren für die Chorstunde sortierte, eine Aufgabe, die ihr als Stipendiatin zukam.
    »Hey«, sagte ich, »hast du eine Minute Zeit?«
    »Ich bin ziemlich beschäftigt«, murmelte sie und blickte weiter auf die auf der Schutzdecke des Flügels verteilten Notenblätter.
    »Ich habe Josh getroffen, er hat mich gebeten, dir etwas zu geben.«
    Jetzt war ihr Interesse geweckt. »Josh? Was hat er gesagt? Wartet er noch auf mich?« Sie wurde sogar leicht rot, und in ihrer Stimme lag eine vibrierende Spannung.
    »Nein, er ist nach Hause gegangen. Aber ich soll dir das hier geben.«
    Ich reichte ihr den Umschlag und den Zettel, und sie faltete ihn hastig auf. Ich drehte mich um, damit sie ihren Liebesbrief ungestört genießen konnte, aber sie schnappte nach Luft.
    »Sarah, warte, es geht um Agnes. Mein Gott!«
    »Was ist? Was ist los?«
    »Josh hat eine Verbindung zwischen seiner Familie und Agnes entdeckt. Hör mal …«
    Sie strich den Zettel glatt und begann sofort zu lesen.
    »Liebe Evie«, hmm … und dann: »Ich habe etwas über Agnes herausgefunden, und ich kann es kaum erwarten, deine Meinung dazu zu hören. Erinnerst du dich, dass ich dir das Foto von Martha gezeigt habe, der alten Kinderschwester von Agnes? Sie lebte auf Uppercliffe Farm und kümmerte sich heimlich um Agnes und ihre Tochter Effie (deine Ururgroßmutter, wie du weißt), nachdem sie aus London zurückgekommen waren. Ich habe dir schon erzählt, dass die Familie meiner Mutter mit Marthas Familie verwandt ist. Auch sie lebte in Uppercliffe, bis die Farm nach dem Ersten Weltkrieg aufgegeben wurde. Die drei Brüder der Familie waren gefallen, und niemand konnte die Farm weiterführen. Ich habe meine Mutter gebeten, nach weiteren Erinnerungsstücken dieser längst vergangenen Zeit zu suchen. Daraufhin gab sie mir ein ganzes Bündel mit vergilbten Fotos, Briefen und allen möglichen Dokumenten. Meine Mutter ist ein praktisch veranlagter Mensch und interessiert sich nicht sehr für die Vergangenheit, deshalb hat sie sich nie um diese Sachen gekümmert. Aber ich finde das alles sehr spannend. Und es könnte wichtig sein – für uns. Ich muss dich morgen unbedingt treffen …«
    Evie brach ab. Angst lag in ihren Augen, aber ich brannte vor Neugier. »Um was geht es? Was hat er gefunden?«
    Langsam blätterte sie in den Unterlagen. Meist handelte es sich um sepiafarbene Fotografien auf dickem Karton mit Menschen darauf, die längst tot waren und eine Beziehung zu Martha und Josh gehabt hatten. Sie zeigten rechtschaffene, ernst dreinblickende Bauern und ihre stattlichen Frauen, die in ihrem Sonntagsstaat etwas linkisch wirkten und direkt in die Kamera starrten. Auf einem der Fotos war ein etwa achtjähriges Mädchen mit feinen Gesichtszügen, seidig glänzenden Locken und durchdringenden Augen zu sehen.
    »Sarah, schau nur, das muss Effie sein!« Marthas Familie hatte sie nach Agnes’ Tod adoptiert. Deren Eltern, Lord und Lady Templeton von Wyldcliffe Abbey, hatten nie etwas von der

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