Gillian Shields - Der Zauber der Steine

Existenz ihrer Enkelin erfahren. Fasziniert blickte Evie auf das Bild ihrer Ururgroßmutter.
    »Josh hat noch von anderen Dokumenten gesprochen. Wo sind die denn?«
    Zwischen den Fotografien versteckt fand Evie ein hauchdünnes, fast durchsichtiges Blatt Papier. Sie faltete es auf und sagte: »Es ist Agnes’ Handschrift … Es muss ein Brief sein.«
    Sie setzte sich, und ich sah, dass sie zitterte.
    »Willst du ihn nicht lesen?«, fragte ich.
    »Doch … nein … ich … oh, Sarah«, flüsterte sie, »das bringt alles wieder zurück! Agnes kommt mir so nah, und Sebastian … ich weiß nicht, ob ich das ertrage.«
    »Aber Josh vermutet doch, dass es etwas ist, das du wissen solltest. Wenn es etwas Schlimmes wäre, dann hätte er dich doch gewarnt, meinst du nicht?«
    »Ja, ich denke, du hast Recht. Entschuldige, dass ich so dumm bin.« Flehend blickte sie mich mit ihren faszinierenden meergrauen Augen an. »Kannst du ihn lesen, Sarah?«
    Sie reichte mir den Brief, und ich begann laut vorzulesen.
    » London, 9. November 1884
    Meine liebe Martha, zu gütig, dass du mir hierher in meine bescheidene Unterkunft schreibst! Deine von Herzen kommenden, tröstenden Worte nach dem Tod meines armen Francis haben mir gut getan. Er war ein zärtlicher und treusorgender Ehemann, trotz seiner schwachen Gesundheit und seinem schweren Schicksal. Mein Schmerz wird durch die Gewissheit gelindert, dass er jetzt seinen irdischen Schmerzen entronnen ist, und mich tröstet die ›sichere Hoffnung‹, dass ich im nächsten Leben wieder mit ihm vereint sein werde. Und er hat mir ein wertvolles Geschenk hinterlassen: mein Mädel, wie du sie nennst, meine liebste kleine Effie. Sie ist so goldig, und ich wünschte, du könntest sie sehen und umsorgen, wie du es damals bei mir getan hast. Deine Briefe sind wie kleine Schätze, die ich wieder und wieder studiere, meine treue Freundin. Du bist meine einzige Verbindung mit meinem alten Leben in Wyldcliffe. Ich sehne mich danach, diese dreckige, neblige Stadt zu verlassen, und träume davon, in die glasklare Luft meines Tals und die vertraute Landschaft zurückzukehren. Wenn nur meine Eltern in Wyldcliffe Abbey mein Kind sehen und es willkommen heißen könnten!
    Da gibt es etwas, über das ich mit dir sprechen muss, Martha …«
    »Evie, alles klar?«, fragte ich. Sie knetete krampfhaft ihre Hände, aus Furcht vor dem, was jetzt kommen konnte.
    »Ja, lies weiter. Wir müssen es wissen.«
    » Da gibt es etwas, über das ich mit dir sprechen muss, Martha. Es ist jetzt zwei Jahre her, seit diese seltsame Geschichte begann. Als ich damals deine durch grauen Star erblindeten Augen geheilt habe, wusstest du noch nicht, dass es das Heilige Feuer des Mystischen Weges war, das mir die Kraft gab, dir zu helfen. Jetzt kennst du alle meine Geheimnisse, und obwohl du anfangs solche Dinge für gotteslästerlich gehalten hast, weißt du jetzt, dass alles, was ich tue, von der Natur und dem Allmächtigen Schöpfer gutgeheißen wird. Nach meinem intensiven Studium weiß ich jetzt mehr über die geheimen Elemente und ihre Wirkungen. Ich muss dir unbedingt von etwas berichten, das mir noch nicht bekannt war, als ich deine Augen heilte.
    Indem ich dir das Augenlicht wiedergegeben habe, ist ein Funke des Heiligen Feuers von mir auf dich übergesprungen. Es wird dir nicht schaden, aber die Menschen in deiner Umgebung wärmen und sie strahlen lassen. Durch deine Liebe wiederum wird das Heilige Feuer auch auf deine Familie übertragen, auf die Lebenden und auf alle anderen, die noch kommen werden. Das Heilige Feuer entfacht eine gewaltige Energie, aber ich wiederhole, es bringt keinen Schaden. Der Funke kann über viele Generationen unsichtbar sein und dann auf jemand überspringen und wieder hell erstrahlen wie die Sonne und den Auserwählten mit mir und dem Weg der Heilung verbinden. Das Feuer ist die göttliche Kraft, die alles ausbrennt, läutert und heilt, die Heilige Flamme, die alle Sinne berührt und unsere Liebe und Leidenschaft entfacht. Ich hoffe, ich habe dir mit diesem Geheimnis keine Angst gemacht. Sieh es als ein Geschenk. Deine Familie wird nicht reich an Geld sein, aber durch die Macht des Heiligen Feuers immer reich an Liebe. Ich sehe deine Nachkommen stolz und furchtlos über die Moors streifen, das Land bestellen und die Herden versorgen, mit weizenblonden Haaren, so wahrhaftig und stark wie die Eichen, die auf dem Boden meiner alten Heimat wachsen.
    Ich wage kaum zu fragen, aber gibt es Neuigkeiten