Gillian Shields - Der Zauber der Steine
kamst du.«
»Meinst du, das, was du gesehen hast, hat mit dem Zirkel zu tun?«
»Ich weiß es nicht.« Dann erzählte ich Cal, was wir mit Miss Scrattons Hilfe gegen die immer noch von Mrs Hartle ausgehende Gefahr unternommen hatten.
»Das heißt, du bist in Sicherheit«, sagte er erleichtert.
»So sieht es jedenfalls aus. Aber ich habe immer noch Angst um Helen, vor allem wegen diesem unheimlichen Mal auf ihrem Arm.«
»Die Alten würden sagen, das ist ein Zeichen für den bösen Blick«, sagte Cal plötzlich, »könnte das stimmen?«
»Im Buch steht so etwas in dieser Richtung. Aber Evie meinte, es könnte vielleicht psychosomatisch sein, ein sichtbares Zeichen von Helens Unterbewusstsein. Ich weiß nicht, wie Helen selbst darüber denkt. Sie ist verschlossener als je zuvor.«
»Gut, was immer es auch sein mag, ab jetzt musst du auf jeden Fall nicht mehr alleine ausreiten.«
»Wieso?« Mein Herz machte einen Sprung. Könnte das bedeuten …?
»Weil ich für eine Weile in Wyldcliffe bleiben werde. Mein Onkel ist geschäftlich in der Gegend, er will sich ein Pferd ansehen. Ich durfte ihn begleiten, ein guter Vorwand, um in deiner Nähe zu sein. Aber meiner Mutter habe ich die Wahrheit gesagt. Dass ich dich wiedersehen muss und, wenn du ›ja‹ sagst, in Wyldcliffe bleiben will, so lange es geht.«
»Oh Cal, aber braucht sie dich nicht?«
»Meine Onkel und meine Schwester kümmern sich um sie. Ich habe ihr gesagt, dass ich eine Arbeit suchen und Geld schicken werde. Meine Mutter ist einverstanden. Sie weiß, was ich für dich empfinde, und ich habe dir ja erzählt, dass sie das zweite Gesicht hat.« Er lachte. »Sie sagte, ich wäre in den letzten Wochen herumgeschlichen wie eine kranke Katze, da wäre es besser, wenn ich ginge. Sie gab mir ihren Segen und meinte, ein junger Mann müsse dem Wind folgen, egal, in welche Richtung er auch immer weht.« Er brach ab und sah mich nachdenklich an. »Sie hat mir auch eine Nachricht für dich mitgegeben.«
»Eine Nachricht? Was hat sie gesagt?«
»Ein Versprechen gelte für die Ewigkeit und werde nur durch einen Fluch gebrochen.«
Ich schwieg und dachte nach. Was könnte sie damit meinen? Ihre Worte warfen einen Schatten auf mein Glück.
»Sei nicht traurig. Sie hat mir auch ein Geschenk für dich mitgegeben.« Wir hatten mittlerweile die Grenze des Schulgeländes erreicht, ließen die Pferde anhalten und stiegen ab. Cal griff in die Tasche seines Hemds und zog ein kleines Päckchen heraus, das in ein Stück Zeitungspapier gewickelt war. Er gab es mir, und ich öffnete es rasch. Darin lag ein rotes Seidenband, kunstvoll mit Blumen und Kornähren bestickt.
»Es stammt von ihrem Hochzeitskleid«, sagte Cal leise und band es mit ungeschickten Fingern in mein Haar. Dann starrte er mich verwundert an. »Wie kann es sein, dass du nicht weißt, wie schön du bist?«
Er zog mich an sich und küsste mich ein letztes Mal. Ich wusste, dass mir großer Ärger drohte, weil ich zu spät zurückkam, aber das war mir egal. Schließlich riss ich mich los.
»Es ist besser, wenn ich jetzt verschwinde, die Lehrerinnen sollten uns nicht zusammen sehen.«
»Miss Scratton hätte bestimmt nichts dagegen, das weiß ich.«
Cal sah mich ernst an. »Miss Scratton wird nicht mehr lange hier sein, um dich zu beschützen. Du musst auf dich selbst aufpassen. Und auf deine Freundinnen. Sie sind im Nebel verloren. Nun ist es an dir, den Weg zu finden.«
»Ich werde es versuchen.«
»Wir treffen uns morgen Abend, sobald du dich aus der Schule schleichen kannst.«
»Wo wirst du heute Nacht schlafen?«, fragte ich.
»Im Moor steht eine alte Schäferkate, ich habe eine Wolldecke und etwas zu essen. Dort kann ich bleiben und ein Feuer im Ofen machen. Die Kate ist unbewohnt, weil alle Lämmer bereits geboren sind. Sie wird mir Schutz bieten. Morgen kümmere ich mich um Arbeit, irgendetwas wird sich finden. Egal was, wenn ich nur in deiner Nähe bleiben kann. Sarah, ich …«
»Ja?«
Aber er schien seine Meinung geändert zu haben und lächelte nur. »Wir sehen uns morgen.« Einen Augenblick später ritt er los und verschwand in den Hügeln. Ich kletterte wieder auf Starlights Rücken und galoppierte den Weg zur Schule hinunter, beflügelt von meinem unerwarteten Glück. Aber als ich die wie verwaist daliegenden Ställe erreichte, hörte ich unterdrücktes Schluchzen.
»Wer ist da? Alles in Ordnung?«, rief ich.
Ein Mädchen saß auf einem umgedrehten Eimer und weinte. Es war Sophie. Sie
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