Gillian Shields - Die Schwestern der Dunkelheit - 02
erbitte.
A.T.H.
»Schau dir die Initialen an«, rief Sarah. » A für Agnes!«
Die ersten beiden Buchstaben mussten für Agnes Templeton stehen. Ich kramte in meiner Erinnerung nach Einzelheiten der Geschichte, die Agnes in ihrem Tagebuch erzählt hatte. Wie war noch der Name ihres Ehemannes gewesen? Francis … Francis Howard, so hatte er geheißen. A.T.H. Es passte alles zusammen.
Unten auf dem Papier hatte jemand ein paar Zeilen mit einem Bleistift hinzugefügt.
Für Evie an ihrem achtzehnten Geburtstag oder im Falle meines Todes – was auch immer eher eintritt. Liebste Evie, ich habe dieses seltsame Familienerbstück für dich aufbewahrt. Pass darauf auf, mein Lämmchen; und pass auf dich auf.
In unendlicher Liebe, Frankie.
Ich drückte einen Kuss auf die Stelle, wo ihr Name stand, dann sah ich Sarah an.
»Soll ich ihn aufmachen?«
Sie nickte. »Ja. Mach ihn auf.«
Ich entfernte vorsichtig die roten Siegelwachsscheiben und faltete den Brief auseinander. Innendrin war ein weiteres Stück Papier, wieder mit Agnes’ Handschrift. Eine
Erinnerung an das Geschenk, das ich einst erhalten habe und das jetzt versteckt in Fairfax Hall liegt. Die Nachricht war an ein Stück Pergament geheftet, das sogar noch viel älter sein musste. Es war dünn und zerknittert und hatte einen ausgefransten Rand, als wäre es aus einem Buch herausgerissen worden. Die Worte darauf waren in engen schwarzen Buchstaben gesetzt, der Rand mit farbigen Tuschezeichnungen — Sterne und Blumen und exotische Symbole – verziert.
»Was steht da? Was ist das?«
»Zur Heilung von Blindheit und um jenen ein gutes Sehvermögen zu verleihen, die seiner bedürfen …« Ich war einen Moment lang verwirrt und hörte auf zu lesen, dann fing ich an zu lachen. »Blindheit! Natürlich, ich bin ja so blind gewesen! Aber jetzt weiß ich, was ich tun muss!«
»Um was geht es?«, fragte Sarah. »Was meinst du?« »Verstehst du denn nicht, Sarah?«, erwiderte ich aufgeregt. »Diese Seite wurde aus dem Buch herausgerissen, das Sebastian gefunden und Agnes gegeben hat. Das Buch des Mystischen Weges! Sie hat es in ihrem Tagebuch beschrieben und gesagt, dass sie das meiste, was sie konnte, daraus gelernt hat. Sie sagt mir, dass ich das Buch finden und studieren soll, was sie studiert hat, wenn ich lernen will, das Feuer zu beherrschen. Oh, wieso bin ich da nicht schon früher drauf gekommen?«
»Natürlich! Das Buch war ein Geschenk für sie, und dann hat Sebastian es sich zurückgeholt. Wahrscheinlich hat er es nach Hause zur Hall gebracht. Es passt alles zusammen. Aber wenn Agnes dir wirklich helfen wollte, hätte sie dir dann nicht irgendwie das ganze Buch hinterlassen können und nicht nur diesen einen Fetzen?«
»Ich weiß nicht. Vielleicht hatte sie es nicht mehr, als ihr klar wurde, dass ich eines Tages damit zu tun haben würde. Wie auch immer, ich glaube nicht, dass es ganz so einfach ist. Ich meine, wieso erscheint Agnes mir nicht in einer Vision und gibt mir so all die Antworten?«
»Nun ja, das wäre hilfreich«, erwiderte Sarah mit einem trockenen Lächeln.
»Ja, aber ich glaube nicht, dass es so einfach sein kann. Wir müssen das selbst tun. Der Mystische Weg ist nur ein weiteres Werkzeug, das uns helfen kann, durchs Leben zu gehen; er ist kein magischer Zauberstab, der uns all unsere Probleme nimmt. Das ist das, was Sebastian nicht verstanden hat.«
Als ich seinen Namen erwähnte, ebbte meine Begeisterung sofort wieder ab. Es galt noch so viele Hindernisse zu überwinden. Selbst wenn wir es irgendwie schaffen sollten, nach Fairfax Hall zu gelangen, wie konnten wir sicher sein, dass das Buch noch da sein würde, nachdem so viele Jahre vergangen waren, seit Agnes mir diesen Hinweis hinterlassen hatte? Was, wenn es weggenommen oder gar zerstört worden war?
Sechsundzwanzig
M iss Scratton, erinnern Sie sich, dass wir im letzten Term nicht in die Fairfax Hall gehen konnten, weil dort gerade eingebrochen worden war?«, fragte Sarah. Wir standen nach der Geschichtsstunde vor ihrem Pult und versuchten, unschuldige Begeisterung zu mimen. »Na ja, wir haben uns gefragt, ob wir nicht noch einmal hingehen und uns das Haus diesmal richtig ansehen könnten.«
»Warum?« Miss Scratton runzelte leicht die Stirn.
»Wir … ähm … interessieren uns wirklich sehr für Geschichte«, sagte Helen.
»Für die örtliche Geschichte«, fügte ich hinzu.
»Tatsächlich. Ich habe bisher nicht bemerkt, dass du überhaupt an irgendeinem Fach übermäßig
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