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Gillian Shields - Die Schwestern der Dunkelheit - 02

Gillian Shields - Die Schwestern der Dunkelheit - 02

Titel: Gillian Shields - Die Schwestern der Dunkelheit - 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Das heilige Feuer
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interessiert bist, Helen.«
    Helen wirkte verlegen. Sie geriet ständig in Schwierigkeiten, weil sie im Unterricht ihren Tagträumen nachhing und vergaß, die Aufgaben rechtzeitig abzugeben. Miss Scratton starrte uns durchdringend an, dann schienen ihre Züge weicher zu werden.
    »Ich bewundere eure Neugier. Allerdings fürchte ich, dass wir im Augenblick nirgendwo hingehen können. Dazu ist das Wetter einfach zu schlecht.« Miss Scratton warf einen Blick aus dem Fenster; es schneite schon wieder.
»Es ist fast so, als wären wir von der Außenwelt abgeschnitten«, fügte sie leise hinzu, »und zwischen den Wänden der Abtei eingeschlossen wie in den alten Zeiten.«
    Jetzt sah sie uns wieder an, und mein Herz machte einen Satz, als mich plötzlich das seltsame Gefühl überkam, sie von irgendwoher zu kennen. Ich habe sie schon einmal irgendwo gesehen , dachte ich. Aber wo? Wo kann das gewesen sein? In meinem Geist flackerten Erinnerungen an jene Nacht in der Krypta auf. Hatte ich sie dort gesehen, bei den schreienden und tobenden Frauen des Hexenzirkels? Das konnte ich mir nicht so recht vorstellen. Ich wollte es auch gar nicht glauben. Und doch wirkte sie auf irgendeine Weise vertraut, so streng, so diszipliniert, so unabhängig, wie sie war …
    »Jetzt muss ich mich aber wirklich auf die nächste Klasse vorbereiten«, sagte sie. »Auf Wiedersehen, Mädchen.«
    Miss Scratton schwebte nach draußen; ihre Lehrerinnentracht blähte sich um sie wie ein schwarzes Segel.
    »Nun, es war einen Versuch wert«, sagte Sarah. »Sie ist nur leider nicht darauf eingestiegen.«
    »Das spielt keine Rolle«, sagte ich. »Wir wollen doch sowieso keine Zuschauer, wenn wir dort rumlaufen. Wir müssen uns in die Hall schleichen, wenn sie geschlossen und niemand mehr da ist.«
    »Ich könnte gehen«, schlug Helen vor. »Ich habe mich da früher schon mal hinversetzt. Ich gehe und versuche das Buch zu finden.«
    »Du kannst da nicht allein hingehen«, sagte Sarah. »Was ist, wenn du in irgendwelche Schwierigkeiten gerätst und nicht zurückkommen kannst? Wir müssen zusammenbleiben. «

    »Also dann, heute Nacht«, flüsterte ich. »Wir gehen heute Nacht.«
    Die Abtei mochte durch den Schnee von der Umwelt abgeschnitten sein, aber das würde uns nicht aufhalten. Wir hatten andere Möglichkeiten, dorthin zu gelangen.
     
    Es war eiskalt. Der Himmel über unseren Köpfen war glänzend schwarz und voller Sterne. Sarah und Helen standen im stillen Stallhof; sie trugen ihre dicksten Pullover und sahen mich erwartungsvoll an.
    »Fertig?«, fragte Helen.
    »Ja. Dann wollen wir mal«, sagte ich und versuchte mir nicht anmerken zu lassen, dass ich nervös war.
    »Tja, also wenn du dir sicher bist«, meinte sie. »Ich habe so was noch nie gemacht, aber ich glaube, es wird klappen. Okay, versuchen wir es.«
    Sie stellte sich zwischen uns und legte uns beiden jeweils einen Arm um die Taille, dann schloss sie die Augen und murmelte etwas vor sich hin. Ich machte mich auf das gefasst, was passieren würde. Den Bruchteil einer Sekunde lang war mir, als würde ich Helen mit hoch erhobenen Armen auf einer kahlen Hügelkuppe stehen sehen, während ihre feinen Haare im Wind wehten. Dann schien der Wind in meinem Innern zu sein, eine kreischende, wirbelnde Kraft, die mich in Stücke reißen würde. Ich hörte Helens Gedanken in meinem Kopf widerhallen: Haltet euch fest, haltet euch fest ...
    Es kam mir so vor, als würde ich vom Boden hochgerissen, und der Stallboden verschwand unter meinen Füßen. Die Giebel und Türmchen der Abtei begannen sich zu drehen, und die Sterne leuchteten karmesinrot und
purpurn und golden auf. Ich befand mich in einem Tunnel aus Licht und Klang, reiste schneller als ein Gedanke, als wir auf dem Wind dahinrasten. Mir wurde die Luft aus der Lunge gedrückt. Ich hörte Helen rufen: Nicht loslassen … Ich klammerte mich an sie, bis ich das Gefühl hatte, ich könnte mich nicht mehr länger festhalten; und dann landeten wir drei plötzlich einigermaßen unsanft auf einem gebohnerten hölzernen Fußboden.
    »Das war … erstaunlich«, sagte Sarah und schnappte nach Luft.
    »Das war verrückt«, stöhnte ich.
    »Aber wir haben es geschafft«, sagte Helen. »Wir sind in Fairfax Hall.«
    Sie stand auf und zog eine Taschenlampe aus der Tasche, dann half sie uns auf. Immer noch atemlos und benommen sah ich mich verwundert um. Wir befanden uns in einem eleganten, von Säulen getragenen Raum mit seidenbezogenen Sofas und kleinen Tischen

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