Gillian Shields - Die Schwestern der Dunkelheit - 02
ergreifen, um ihn zu bekommen.«
»Aber ihr habt versagt!«
»Nur ein Grund mehr, dass wir jetzt die Schule und das Mädchen in Stücke reißen sollten, um ihn zu finden«, drängte die andere Frau.
»Wir haben bereits die ganze Schule nach dem Talisman abgesucht, als wir die Diebstähle inszeniert haben, um uns eine Rechtfertigung zu verschaffen, die Sachen der Mädchen zu durchsuchen«, erwiderte Miss Raglan gereizt. »Im Augenblick können wir nicht mehr machen. Nicht alle Mistresses sind Teil unserer mächtigen Schwesternschaft. Sie haben keine Ahnung von unseren wahren Zielen, und einige von ihnen beschweren sich bereits über meine Ernennung und meine Vorgehensweise. Wyldcliffe mag streng sein, aber es ist kein Gefängnis, und jeder weitere ungeschickte Umgang mit den Schülerinnen wird auf Widerstand stoßen.«
»Dann sollten wir die anderen Schülerinnen nicht mit hineinziehen!«, sagte die wütende Frau. »Was kümmern sie uns? Passen wir einen Moment ab, wenn das Mädchen allein ist, und schnappen wir sie uns! Wir sollten sie zwingen, uns das Versteck des Talismans zu verraten und uns zu unserem sogenannten Lord zu führen, bevor es zu spät ist.«
Miss Raglan ließ einige Zeit verstreichen, ehe sie antwortete. »Du magst recht haben, Schwester. Es ist Zeit für entschlossene Taten.«
»Aber was können wir ohne die Oberste Mistress gegen das Mädchen unternehmen?« Noch eine andere Stimme. Diese hier klang wehleidig und ängstlich.
Mein Magen verkrampfte sich erneut. Ich war mir sicher, dass dies die Stimme der müde aussehenden Frau in der Schulküche war. Ich hatte mit ihr gesprochen und
gearbeitet und hätte nie vermutet, dass sie mit der Sache zu tun hatte. »Sie hat uns im letzten Term in der Krypta angegriffen, als wir dachten, wir könnten sie leicht überwältigen«, sagte sie. »Wieso wollen wir das Risiko erneut eingehen?«
»Weil es ohne Risiko nichts zu gewinnen gibt!«, erwiderte Miss Raglan. »Ich erkenne jetzt, dass es Zeit ist für eine neue Vorgehensweise. Wenn wir nur dasitzen und darauf warten, dass unsere teure Oberste Mistress zurückkehrt, werden wir warten, bis wir alt und grau sind und von Altersschwäche dahingerafft werden. Ich sage, dass Celia Hartle tot ist und eine neue Oberste Mistress ihren Platz einnehmen muss. Wir müssen jetzt handeln! « Sie schlug plötzlich mit der Faust auf den Tisch und starrte die anderen finster an. Ihr Blick glitt über den Schrank, und ich zuckte zurück, voller Angst, sie könnte mich finden.
»Woher wissen wir denn, dass sie tot ist?«, sagte eine ruhige, trockene Stimme. Ich musste mir alle Mühe geben, nicht laut aufzuschreien. Das war Miss Scratton; sie war hier in diesem Zimmer, bei dieser mörderischen Zusammenkunft. Ich wollte es nicht glauben; das konnte einfach nicht wahr sein – und doch hätte ich ihre Stimme überall erkannnt. Ich saß ganz starr und lauschte, angespannt bis zur letzten Nervenfaser.
»Du bist sehr begierig darauf, eine neue Oberste Mistress zu ernennen«, sagte Miss Scratton. »Ich vermute, du möchtest diese Position gern selbst einnehmen?«
»Und wen würdest du vorschlagen?«, fragte Miss Raglan höhnisch. »Wir alle kennen deine ehrgeizigen Ziele. Du hast deine Rivalität mit Celia Hartle kaum verborgen,
als sie noch bei uns war, also tu nicht so ergeben, jetzt, da sie weg ist.«
»Eine der ersten Regeln einer jeden Schwesternschaft ist die Loyalität«, schlug Miss Scratton zurück. »Ich habe weder meine Schwestern noch meine Vorgesetzte verraten. Ich möchte nicht in deiner Haut stecken, wenn die Oberste Mistress zurückkommt und dich in ihren Gewändern vorfindet.« Sie ließ einen Moment Zeit verstreichen und senkte die Stimme. »Und glaube mir, sie wird zurückkehren.«
»Warum schickt sie uns dann kein Zeichen?«, fragte Miss Dalrymple ungeduldig. »Braucht sie uns nicht mehr?«
»Wenn sie zurückkommt, wird sie vielleicht feststellen, dass wir sie nicht mehr brauchen«, antwortete Miss Raglan. »Das Buch ist nun seit einiger Zeit in unserem Besitz. Wir haben seine Geheimnisse studiert. Wir sind nicht machtlos; wieso sollten wir unsere Kräfte nur dafür nutzen, um der Obersten Mistress zu dienen, wenn sie uns im Stich gelassen hat? Wieso nutzen wir nicht die Gunst der Stunde und zwingen Sebastian, zu tun, was wir wollen? Das Buch wird uns helfen, ihn und den kostbaren Talisman zu finden, wenn wir es nur zulassen.«
»Das Buch war nie für Menschen gedacht, die nur danach trachten, sich
Weitere Kostenlose Bücher