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Gillian Shields - Die Schwestern der Dunkelheit - 02

Gillian Shields - Die Schwestern der Dunkelheit - 02

Titel: Gillian Shields - Die Schwestern der Dunkelheit - 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Das heilige Feuer
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sie jetzt zu mir zurück? Sie reiten in meinem Geist wie strahlende Flammen.
    Ich muss es dir erzählen: Ich spüre den Wind auf meinem Gesicht, während wir von einem Ort zum anderen reiten. Ich höre Lachen und Gesang. Ich sehe das Funkeln ihrer schwarzen Augen und das Blitzen ihrer scharfen Dolche. Ich rieche Holzrauch. Ich schmecke heiße, wohlschmeckende Brühe; die Sonne geht unter. Wir essen und singen und erzählen uns Geschichten.
    Ich muss es dir erzählen: Das Ende der Geschichte …
    Wann war das? Vor zwanzig, dreißig, sechzig Sommern? Wieso kommt mir das jetzt in den Sinn?
    Mein Geist ... Der Talisman lauert in meinem Geist – ruft mich, verlockt mich –
    Nein.
    Nein.
    Wenn ich wählen könnte – wenn ich dich wiederfinden könnte, Evie, ich würde mit dir so über die Moors reiten, wie ich es damals mit meinen Brüdern getan habe, wild und frei und selbstbewusst.
    Ich sehe, dass du wie Feuer reitest … eine rote Rose … ein karmesinrotes Band aus Seide … das Feuer …
    Ich falle … falle … Schmerz und Dunkelheit.
    Alles ist verborgen und verloren. Ich schreibe diese Worte, denn meine Stimme versagt. Aber ich muss dich erreichen. Ich schreibe meinen Namen in den Staub … ich werde vom Feuer verzehrt …
    Meine Brüder werden dir helfen.
    Hilf mir, Evie.
    Meine Geschichte ist fast zu Ende.
    Hilf mir.

Sechsunddreißig

    I n meinem Traum schneit es, und ich bin draußen in der prickelnden Luft, fühle mich so wohl wie ein Fuchs oder ein Hirsch in den tiefen Wäldern. Ich trage ein langes, schweres Kleid und habe mir einen hellen Schal um die Schultern geschlungen. Ein Kochfeuer glüht in einem Ring aus Steinen, der in die kalte Erde eingelassen wurde. Die Hitze der Flammen wärmt einen Topf mit Brühe, der an einem Dreifuß über dem Feuer hängt. Hinter mir ist ein Durcheinander aus Zelten und Holzkarren, und ein paar zerlumpte Jungen spielen im Schnee. Ich sehe zu und warte, und der Geruch des Feuers vermischt sich mit dem Geruch der großen Kiefern. Ich warte auf jemanden, warte darauf, dass er zu mir zurückkehrt.
    Und dann ist Sebastian da, er läuft durch den Schnee. Sein Gesicht leuchtet vor junger, starker Freude. Er nimmt mich in die Arme, und wir küssen uns, und unsere Münder sind warm und süß wie Honig. Die weiße Welt verblasst, und die rote Sonne brennt tief am Horizont. Aber es gibt etwas, das ich brauche, etwas, nach dem ich suche; ich versuche, mich zu erinnern. Sebastian , sage ich drängend, du musst mir helfen, das Feuerzeichen zu finden. Was ist es? Wo ist es? Er sieht mich zärtlich an und streicht mir über die Haare; dann ruft eine raue Stimme: »Prala!
Av akai!« Bruder ... Mein Bruder ... Drei dunkelhaarige Reiter, wachsam wirkende Männer mit starken, stolzen Gesichtern, warten unter den Bäumen auf ihn, halten die Zügel von Sebastians schwarzem Pferd in den Händen. Einer von ihnen kommt näher; er führt das Pferd am Zaum und spricht eindringlich mit Sebastian. Dann lässt Sebastian mich los und springt in den Sattel. Ich kann nicht bleiben , sagt er. Meine Brüder werden dir helfen, ich muss weiter, muss weiter, muss weiter … Er galoppiert mit den Männern weg, und ich bleibe allein zurück, während die Sonne versinkt und die Welt in Flammen aufgeht.
    Als ich wach wurde, sah ich den Traum noch immer leuchtend und lebendig vor mir, wie ein Bild in meinem Kopf. Ich warf einen Blick auf den kleinen Wecker neben meinem Bett und stöhnte. Drei Uhr morgens. Ich wollte einfach nur wieder einschlafen, wieder in meine Traumwelt eintauchen, in der Sebastians Küsse Wirklichkeit waren.
    Der Traum. Abrupt setzte ich mich auf, schoss regelrecht hoch. Mein Herz raste. Meine Brüder werden dir helfen. Aber Sebastian hatte keine Brüder; er war ein Einzelkind gewesen. Seine Brüder, die Reiter im Schnee … die Männer auf den wild aussehenden Pferden, woran erinnerten sie mich? Meine Gedanken purzelten durcheinander, kämpften darum, Sinn zu ergeben, während sich Fetzen vergessener Gespräche aus den Schichten meines Geistes erhoben. Ich hoffe, sie verfolgt dich , hatte Celeste gesagt. Aber ich glaube nicht an Geister, du, Sarah? Ja ... ich denke, das tue ich ... die alten Überzeugungen ... Die Toten können zurückkehren; die Toten können zurückkehren und die Lebenden heimsuchen; das ist es, was die Roma sagen ...

    Das war es; das war die Verbindung – diese Männer im Traum erinnerten mich an den Jungen; an den Zigeuner, den wir auf seinem zotteligen Pferd in den

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