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Ginster (German Edition)

Ginster (German Edition)

Titel: Ginster (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Siegfried Kracauer
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war Ginster eigentlich bei Elfriede zu Besuch. Unter den Büchern überwogen Landschaftswerke, die Kunstabbildungen enthielten. Beim Durchblättern glaubte Ginster, zwischen Gräsern zu ruhen, nur Horizont ringsum ohne Krieg. Er erkundigte sich nach Bänden, die sich besser zur Zimmerlektüre eigneten. »Darf ich sie bestellen?« fragte Elfriede. »Bitte, noch nicht.« Gewöhnlich verzichtete er auf den Ankauf der Bücher, sie umstanden ihndann nur als Besitz. Viele Leute waren von ihren Sachen wie von Efeu umsponnen. Elfriede nahm Ginster nicht die Unschlüssigkeit übel, sondern die Richtung seines Geschmacks. Durch Bildchen, die sie ihm zeigte, suchte sie ihn zu verbessern. Ihr zu Gefallen bekehrte er sich zu den Bildchen. Leider sprach sie zu leise und erschöpfte sich in Anspielungen auf besondere Gefühle, die er nicht kannte. Waren Käufer im Laden, so warf sie ihm Seitenblicke zu, die er auffangen mußte. Einmal flogen die Blicke so schnell, daß Ginster aus Ungeschick einige fallen ließ. Immerhin begriff er allmählich, daß der Herr, um dessentwillen sie ausgesandt wurden, ein Redakteur war, den Elfriede scheinbar nicht mochte. Er kam mit dem Herrn ins Gespräch.
    »Wie denken Sie eigentlich über den Krieg?« fragte er ihn auf der Straße, »ich meine nämlich, weil Sie doch Redakteur sind … Ganz im Vertrauen.« Es fiel ihm auf, daß er immer nur fragte. Man fragt nicht soviel, hatte ihm schon Hay erklärt.
    »Es wäre an der Zeit«, sagte der Redakteur, »Ihren Stadtbaurat zu beseitigen. Die Zustände in unserer Verwaltung spotten jeder Beschreibung. Freilich ist es im Augenblick schwierig, gegen den Stadtbaurat vorzugehen, denn der Oberbürgermeister läßt ihn nicht fallen. Die beiden arbeiten Hand in Hand und hängen auf dunkle Weise zusammen. Bei den Kartoffeln vor allem …«
    Eine heimliche Verschwörung, Ginster war glücklich. Die Offenheit durfte nicht unerwidert bleiben. »Ich könnte Ihnen wichtige Mitteilungen aus dem Stadtbauamt machen. Da ist zum Beispiel ein Wasserbauingenieur namens Wenzel –« Auf einmal verstummte er, weil ihm die Reklamation einfiel. Er pfiff vor sich hin. Sehr schlau.
    »Wenn es an der Zeit ist, führen wir einen großen Schlag«, sagte der Redakteur und pfiff ebenfalls.
    Je wärmer das Wetter wurde, desto häufiger traf Ginster mit Elfriede zusammen. Er holte sie nach Geschäftsschluß an einer bestimmten Stelle ab und begleitete sie ein Stück weit über die Ringstraße. Nach Hause durfte er sie nicht bringen. Dinge, die sie liebte, nannte sie klein. Mein kleines Mütterchen; oft auch Kleinannchen. Da die Kleinheit schon am Anfang stand, hielt er, streng genommen, das chen für überflüssig. Ob Ann ein Kind war oder die Freundin, wagte er nie zu fragen, um die Zuversicht nicht zu kränken, mit der sie sich als bekannt voraussetzte. Meistens kränkte er sie doch. Dann schickte sie ihm durch ihren Ausläufer Kleinbriefchen ins Stadtbauamt, aus denen er die Kränkung erfuhr. Ganz roh kam er sich vor. Eine Anrede trugen die Briefe nicht. Sie bestanden aus abgerissenen Zetteln und enthielten manchmal nur Stimmungsberichte. Ginster war ein Empfänger. Wenn er mit Wenzel über Frauen sprach, roch es stets nach Kanälen. Übrigens konnte man die Siedlungsbauten auch als Kleinhäuschen bezeichnen. Elfriede schien ein Erlebnis zu werden. Ich will sie verführen, beschloß Ginster und verabredete sich mit ihr zu einem Waldausflug am Sonntagmorgen. Daß er bisher noch niemals verführt hatte, war fast eine Schande. Sie gingen einen Villenhügel außerhalb der Stadt hinan, der Sonntag war hellgrün, Ginster schleppte das Batiktuch, und die Dachflächen funkelten. Die Villen waren sehr schön, hatten nur bei Q. keinen Zweck. Man mußte tunlichst bald mit der Verführung beginnen. Elfriede entdeckte lauter Blümchen in der Natur, die sie völlig beschäftigten. Bienensaug, Immergrün, Tausendschön – immer neue Arten tauchten auf,in denen sie Ginster fortlaufend unterwies. Er gönnte ihr seine Unkenntnis, ärgerte sich aber über die anhaltende Nebenbuhlerschaft der Gewächse. Lassen Sie sich bitte selbst von mir pflücken, konnte er andererseits nicht gut sagen. Als Schüler hatte er sich einmal einen Monat hindurch darin geübt, an Hand eines Lehrbuchs die Pflanzen nach ihren Merkmalen zu bestimmen. Der Name Wiesensalbei war ihm noch im Gedächtnis geblieben, leider fehlte jetzt gerade die Blume.
    »Ein Bekannter von mir schreibt eine Arbeit über afrikanische Botanik«,

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