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Ginster (German Edition)

Ginster (German Edition)

Titel: Ginster (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Siegfried Kracauer
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Hausgeschichten ließ sich nicht widerstehen. Das Lachen griff um sich, auch Frau Biehl lachte und Ginster.
    »Daß man heute noch lachen kann«, sagte die Tante zu Frau Biehl, »also morgen haben Sie sicher Nachricht.«
    Der Onkel schlurfte in Pantoffeln drohend über den Korridor. »Ich gehe schon«, rief Frau Biehl die Treppe hinauf.
    Die Ladenumbauten wurden jetzt ausgeführt. Handwerker kamen ins Büro, die wie Kleingeld aussahen, mit Schnauzbärten, schwer und aus Nickel. Herr Valentin drängte sie zum Sitzen, reichte das immer gefüllte Zigarrenetui und brummte. Den Nahkampf, der oft Stunden währte, fochten beide Teile mit einer Zähigkeit durch, die an Sportereignisse gemahnte. Am Ende wußte Ginster nie mehr, worum es gegangen war. Die Schlosser traten grober auf als die Schreiner, der Bauunternehmer war ein Klotz aus Beton. Gewann Herr Valentin, so hatte die Sache der Gerechtigkeit einen Sieg errungen. Er glaubte nicht eigentlich an sie, gab sie aber doch zu wegen des Anstands. Auch im Krieg würde sie siegen; durch Zähigkeit, zuletzt. Der Installateur wand sich unter seinem Zugriff wie eine Rohrleitung, während der Klotz von Bauunternehmer unbeweglich verharrte. Manche Kämpfe dauerten schon jahrelang und brachen nach kurzen Waffenstillstandspausen bei neuen Läden immer wieder hervor. Erinnerungen an frühere Schlachten leiteten das Gespräch mit dem Linoleumgeschäft ein, das zu den ältesten Gegnern gehörte. Wenn sich Herr Valentin ins Hinterzimmer zurückzog, stand die Angelegenheit verzweifelt; denn für Handwerker kam sonst das Hinterzimmer nicht in Betracht. Seine trübe Beleuchtung stimmte einen besonders unnachgiebigen Klempnermeister so weich, daß er sich umlöten ließ. In gewissen Fällen mußte sich Ginster mit den Handwerkern auseinandersetzen: über die Treppe, oder wie eine Tür anzuschlagen sei. Die Handwerker fragten nach den Eisensorten und Hölzern, ohne der Pläne zu achten, die viel zu fein gezeichnet waren für die Dinge im Raum; alles in Millimetern. Ginster antwortete ausweichend und verbarg sich hinter den Plänen. Wenn die Tür einmal saß, verloren sie jede Bedeutung. Eine Zeichnung nach der anderen wanderte aus dem Büro, um in Gegenstände verwandelt zu werden, und neue Aufträge folgten nicht mehr. Vielleicht kündigte Herr Valentin bald, und die Mutter quälte wieder mit dem Verdienen. Die Sanitätskolonne brachte nichts ein. Renz war mittlerweile ausgeschieden, er hatte sein Engagement nach Breslau. In einem Gespräch mit Herrn Valentin suchte sich Ginster über die Aussichten zu vergewissern. Obwohl Valentin sich festzulegen vermied, erwog er doch die Möglichkeit einer Besserung, nicht eigentlich einen Aufschwung im großen, aber immerhin Läden in den Vororten. Die bisherigen hatten sich nahe bei dem Büro befunden. Auch die Altstadtgassen verliefen nicht gerade, es ging um die Ecke. Wären ihm große Aufträge beschieden gewesen, so hätte er wahrscheinlich Nebenumstände entdeckt, die sie verkleinerten. Ginster sah ihn im Geist an einem Bach angeln und über die Fische nachdenken, wie sie sich im Zickzack bewegten. Irgendein Fisch hing schließlich stets an der Schnur. Häufiger als je war jetzt Herr Valentin unterwegs: in Kommissionssitzungen, überall beigeordnet. Kehrte er auch ohne Beute zurück, so hatte er doch wiederholt in die Debatte eingegriffen, was ihm den Anstrich eines unfrankierten Amtsschreibens verlieh. Die Eingriffe erfolgten an unwesentlichen Punkten, die aber möglicherweise wesentlich werden konnten. Manchmal erschien ein städtischer Bote bei ihm. Ein Ehrengerichtsfall nötigte ihn zu Besprechungen, an die sich langwierige Korrespondenzen schlossen. Dievorzügliche Hochachtung, mit der er sie unterschrieb, empfand er vor sich selbst als einem Beisitzer des Gerichts. Der Fall ereignete sich zur Zeit einer gewaltigen Niederlage im Westen. Auch Uhrich verschwand über die gewohnte Viertelstunde hinaus, die Rillen im Hackbrett brannten purpurn. Oft traf er ein, wenn Herr Valentin sich gerade entfernt hatte; ob sie sich außerhalb des Hauses begegneten, war nicht zu ergründen. Vergeblich bemühte sich auch Ginster in Erfahrung zu bringen, wie weit die Verhandlungen vorgerückt waren, die Uhrich über seine dritte Frau pflog. In der Küche wechselten die Annas, alle vier Wochen eine andere. Sie waren blond, eilten aus sämtlichen Winkeln des Hauses herbei und weinten. Nach Perioden vielfachen Hinundhers wurde Berta plötzlich für längere Fristen

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