Ginster (German Edition)
außerdem – – – ja – – – –.« Aus dem Ton, in dem die Mutter ja sagte, ging hervor, daß sie mit ihrer Freundin Frau Öttinger sprach. Es war ein besonderes Ja; wie ein Privathäuschen in einem Geschäftsviertel. »Was schreibt der Fritz – – so – – und Ernst – – – – da bin ich aber froh – – – also Donnerstag zur gewohnten Zeit – – ja – –.« Die Freundschaft, die Frau Öttinger und die Mutter verband, war vor vielen Jahren durch die Gunst räumlicher Verhältnisse entstanden. Ginster hatte damals mit seinen Eltern im dritten Stockwerk der Hausreihe einer nach Norden ziehenden Straße gewohnt; deutlich entsann er sich noch einiger Kinder, von denen er auf dem Schulweg in der Straße immer verfolgt worden war. Eine kleine Querstraße, die seine eigene im Süden kreuzte, wäre ihm, der besser gearteten Kinder wegen, lieber gewesen. Die Wohnung Öttingers hatte sich unterhalb der elterlichen Etage im zweiten Stockwerk befunden. Waren Frau Öttinger und die Mutter schon durch den geringen Höhenunterschied zusammengeführt worden, so verstärkte sich die Beziehung noch dank der häufigen Unleidlichkeit ihrer Männer. Als später beide Parteien die Straße verließen – Öttingers hatten in einem Vorort, die Eltern in einem anderen Stadtteil gemietet –, war der Verkehr zwischen den Frauen zu einer Gewohnheit gediehen, an der auch die räumliche Entfernung nichts mehr zu ändern vermochte. Sie besuchten sich weiter, als ob sie noch übereinander ihren Haushalt versähen. Alle paar Jahre begegnete Ginster Ernst und Fritz, Frau Öttingers Söhnen, und wunderte sich, daß sie immer größer wurden. Nach dem Tod des Vaters hatte die Mutter zu Onkel und Tante auch die Besuche Frau Öttingers mitgenommen. Nicht daß sie die Freundinnen der Tante benachteiligt hätte, aber Frau Öttinger stand ihr doch näher; nur durch ein Stockwerk getrennt und ganz allein von ihr selbst erworben. Sie sprachen über Kriegsmarmeladen, die Feinde, Bezugsquellen und Krankheiten in der Familie. Fritz war vor kurzem eingezogen worden, Ernst lag verwundet in einem Lazarett. Zum Glück nicht gefährlich, wie die Mutter eben am Telefon erfahren hatte. Nach Tisch ging sie aus, um die von Frau Öttingerempfohlenen Militärsachen zu besorgen. Ernst und Fritz, die jünger als Ginster waren, besorgten sich ihre Sachen stets selbst; hervorragend praktisch veranlagt, jeder von ihnen ein Vorbild. Kaum konnte sich Ginster von der Stelle bewegen, so viele Vorbilder umzingelten ihn. Dennoch nahm er an dem Einkauf der Armbanduhr teil. »Eine Armbanduhr für das Militär«, erklärte die Mutter im Laden. Ginster suchte der Verkäuferin gegenüber nochmals seine freie Taschenuhr zu verteidigen. »Alle Soldaten tragen Armbanduhren«, sagte sie etwas geringschätzig und wandte sich, als sei er zu unernst, nur an die Mutter. Dabei war die Uhr doch für ihn. Vielleicht hat die Uniform keine Taschen, überlegte er sich. Inmitten der vorgelegten Uhrenmasse verbreiteten mehrere Stücke einen eigenen Schein. »Leuchtziffern«, sagte die Verkäuferin, »neuerdings sehr begehrt.« Sie ergriff eine Uhr vom Ladentisch, zog sie am Lederriemchen mit sich ins Dunkel und ließ sie dann leuchten. Auch in Ginsters Hand hörte ihre Leuchtkraft nicht auf. Er betrachtete die Uhr genauer; trotz der Milde des grünlichen Glanzes war das Zifferblatt von einem Drahtnetz umgeben. So funkelten Raubtieraugen aus dem Käfig hervor. Die Verkäuferin erläuterte der Mutter, daß solche Uhren besonders für den Nachtdienst und Patrouillen geeignet seien. »Lieber doch eine einfache«, meinte Ginster, die Uhr war ihm zu bedrohlich. Ihres vermutlich zu hohen Preises wegen kehrte die Mutter gleichfalls zu den Tagesuhren zurück. Verdrossen folgte die Verkäuferin nach; sie schien nur für Nachtkämpfe zu sein, bei denen sämtliche Ziffern losgelassen wurden und die Zeiger strahlten. Zuletzt ärgerte sich auch die Mutter, weil Ginster statt der vorhandenen römischen Zahlen arabische wie auf seiner Taschenuhr verlangte, die erst vom Lager geholt werden mußten,und mit lauter Stimme äußerte, daß er das Ührchen billig fände. So zierliche Räder, wirklich nicht teuer. Billige Sachen waren nach der Ansicht der Mutter höchstens außer Hörweite billig. Eigentlich gab es überhaupt keine billigen Sachen und gewiß nicht im Laden. Das Einkaufen würde Ginster niemals erlernen.
Am Vorabend des Gestellungstages packte die Mutter das neuerstandene
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