Girl Parts – Auf Liebe programmiert
knisterte. Roses volle Lippen öffneten sich, sie atmete erregt. Charlie musste sich zwingen, den Blick von ihr loszureißen.
Schließlich schüttelte sich Rose, fuhr sich mit den Händen durchs Haar und räusperte sich.
»Danke für die Kleider, Charlie. Auf Wiedersehen.«
»Wohin gehst du?«
Sie lief rasch an ihm vorbei in den Gang. »Zurück zu David. Ich bin mir sicher, dass er, nachdem er eine Nacht darüber geschlafen hat, begreift, dass sein Verhalten verletzend war.«
»Darauf würde ich mich nicht verlassen.«
Sie warf einen Blick über die Schulter zu ihm zurück, ihre Augen waren flammende Pfeile. »Hier haben wir eine Meinungsverschiedenheit.« Sie griff nach ihrer Jacke.
»Fein, geh nur«, sagte Charlie. »Du hast sowieso angefangen zu nerven.«
»Und du, Charlie, bist wie ein Fruchtgummi.«
Entlang der Südseite des Sees und quer über den Rasen hinter dem Haus kehrte sie zurück wie eine Taube auf dem Heimflug. Das feuchte Gras quietschte unter ihren Schuhen, während sie sich der Ligusterhecke näherte, mit der die Grundstücksumzäunung kaschiert war. Auf der anderen Seite des Zauns redete jemand. Rose steuerte eine kleine Lücke im Blattwerk an und spähte hindurch. Mr und Mrs Sun befanden sich auf der hinteren Terrasse. Bei ihnen stand ein Mann im Anzug mit schütterem grauem Haar. Ihre Stimmen klangen leise, verschwörerisch.
»Ist das jemals vorher passiert?«, fragte Mrs Sun.
»Bedauerlicherweise kann ich dazu keine Informationen preisgeben, aber ich kann immerhin so viel sagen, dass diese Unverträglichkeit keinen absoluten Präzedenzfall darstellt. Unser Selektionsprozess ist zwar sehr sorgfältig, einige Klienten allerdings sind für das Programm einfach nicht geeignet.«
» Unser Sohn war nicht geeignet für Ihr Programm?« Mr Sun verschränkte die Arme. »Klingt eher, als funktionierte Ihr Programm nicht. Ende der Durchsage.«
»Wie Ihnen mitgeteilt wurde, befinden wir uns noch im Teststadium.«
»Ja, korrekt.«
»Wie gesagt, ich kann ein Ersatzmodell anbieten …«
»Oh, das glaube ich nicht«, warf Mrs Sun ein. »Ich glaube nicht, dass David dazu bereit ist.«
»In diesem Fall bekommen Sie Ihr Geld zurückerstattet, sobald wir das Gerät zurückerhalten.«
»Ä-hem«, sagte Mr Sun. »Ich will mein Geld jetzt zurückhaben.«
»Sir, das Gerät befindet sich in Ihrer Obhut, und wie in Ihrem Vertrag eindeutig festgehalten ist …«
»Hören Sie, vergessen wir das Geld«, sagte Mrs Sun. »Was passiert mit ihr – mit dem Gerät –, wenn Sie es zurücknehmen?«
Der Mann mit dem schütteren Haar holte Luft. »Sie wird stillgelegt.«
Rose schluckte.
»Sie können sie nicht … jemand anderem zuweisen?«
»Schatzi, wen interessiert das?«, fragte Mr Sun. »Lass sie das Ding als Schrott verkaufen.«
»Ich kann mir nicht helfen. Sie – das Gerät war so lebensecht.«
Leise trat Rose zwischen den Bäumen hindurch den Rückzug zur Straße an. Als sie asphaltierten Grund erreicht hatte, begann sie zu rennen.
Charlie öffnete die Tür. Rose hatte die Kapuze hochgezogen, um ihr Gesicht zu verbergen. Sie hatte die Hände in den Taschen vergraben und zitterte.
»Kann ich, also … kann ich hierbleiben?« Ihre Augen suchten flehentlich seinen Blick.
Charlie schluckte. »Klar«, sagte er und trat zur Seite. »Komm rein.«
Dieses E-Book wurde von der "Verlagsgruppe Weltbild GmbH" generiert. ©2012
11. Funken
An jenem Abend saß Rose auf einem Gartenstuhl aus Plastik und starrte über den See. Ein gläsernes Haus erleuchtete das westliche Ufer – Davids Zuhause. Die hellen gelben Lichter überstrahlten die Sterne, aber der Mond war zu erkennen. Er war beinahe voll, ein Zwillingsgestirn des Uferlichts, wenn auch blasser. Rose erinnerte sich, dass sie im Internet gelesen hatte, die Sonne lasse den Mond leuchten, doch eine Seite sei immer dunkel, im Schatten verborgen. Heute Nacht, so stellte sie sich vor, war es das Licht von Davids Haus, das die helle Seite des Monds beschien und ihn funkeln ließ wie eine Silberplatte.
Sie fragte sich, was er gerade machte. Es war acht Uhr abends. Normalerweise schauten sie sich samstags um acht einen Film an. Vielleicht saß er am Computer. Oder fuhr draußen durch die Gegend. Ihr fielen Dutzende Sachen ein, mit denen er sich im Moment womöglich beschäftigte. Es war ein Leichtes, sich für David ein neues Leben vorzustellen. Aber nicht für sich selbst. Sie kannte ihn so gut und sich selbst überhaupt nicht.
Charlie saß lesend
Weitere Kostenlose Bücher