Girl Parts – Auf Liebe programmiert
Boston.«
»Ach so.«
Rose wandte sich wieder dem See zu.
»Bist du die ganze Nacht hier draußen gewesen?« Ihre Arme waren von einer dünnen Tauschicht bedeckt, aber es schien ihr nichts auszumachen.
»Ich bin bei vierhundertzweiundsiebzigtausendsechshunderteinundvierzig.«
»Hä?«
» Was-wäre-wenns. So viele davon habe ich.«
»Oh.« Er räusperte sich. »Du fragst sie alle auf einmal?«
»Jep.«
»Und wie fühlst du dich?«
Rose streckte sich. In ihrem Kreislaufsystem platzten knisternd kleine Blasen mit träger Flüssigkeit.
»Es ist angenehm, ein Ziel zu haben.« Sie schaute ihn an. »Danke, dass du mich letzte Nacht aufgehalten hast. Als ich David anrufen wollte.«
»Kein Problem.« Charlie zog seinen Mantel enger um sich. »Ich bin drinnen, falls du irgendwas brauchst.«
»Ich bleibe hier.«
Die Sonne stieg über dem See auf. Charlie brachte Rose ein Sandwich und einen tragbaren CD-Player mit Kopfhörern. Als die Sonne hoch am Himmel stand und die Wolken verdampften, schien es Rose, als verschmorten ihre Okularsensoren vom allzu langen Schauen. Als Nächstes brachte Charlie einen alten, mit Spinnweben behangenen Sonnenschirm und steckte ihn neben ihrem Stuhl in die Erde. Käfer fraßen ihr unberührtes Sandwich. Als sich die Sonne dem gegenüberliegenden Seeufer näherte, entfernte Charlie den Schirm und legte Rose einen Schal über die Knie. Die ganze Zeit sagte er kein Wort.
Zuletzt wurde es dunkel, und Rose rührte sich. Ihr Hirn war erschöpft, stotterte vor Anstrengung … wie Charlies Generator, dachte sie und lächelte in sich hinein.
Im Haus stand Thaddeus an der Küchentheke und aß Nudeln aus einer Schüssel, die dem Panzer einer Schildkröte ähnelte.
»Willst du auch etwas?«, fragte er und hob eine Gabel mit dem klebrigen orangefarbenen Zeug. »Ich mag es gerne kalt, aber ich kann dir eine Packung in die Mikrowelle legen.«
»Nein, vielen Dank.«
»Charlie ist mit seinem Fahrrad unterwegs. Er ist bestimmt bald zurück.«
»Okay.«
»Warst du wirklich die ganze Nacht da draußen?«, fragte er.
Rose nickte. »Danke, dass Sie mich bei sich aufgenommen haben«, sagte sie. Da war keine Stimme, die ihr sagte: Sei höflich zu Erwachsenen, aber sie erinnerte sich, dass so etwas erwartet wurde.
»Charlie erzählte mir, dass du mit einer hässlichen Trennung fertig werden musst.«
Rose nickte erneut. »Ja, Sir.«
»Wie hieß er denn?«
Rose machte Anstalten, den Namen zu nennen, aber sie kam nicht weiter als bis zum angetippten D. »Ich … ich habe heute schon so viel über ihn nachgedacht, mehr schaffe ich nicht.«
Über seine kalten Nudeln hinweg gab ihr Charlies Vater ein Zeichen der Zustimmung.
»Tja, tut mir leid, dass wir keinen Fernseher haben. Möchtest du ein Buch lesen?« Er wies mit seiner Gabel auf die Regale.
»Ja. Vielen Dank.«
Es war eine große Bibliothek, aber läppisch im Vergleich zu all dem, was David auf seinem Computer hatte. Rose beschloss, noch einmal etwas über Blumen zu lesen.
»Reed’s Flora«, sagte Thaddeus. »Interessierst du dich für Pflanzen?«
»Oh, ich interessiere mich für alles«, sagte Rose. »Die ganze Welt.«
Sie entdeckte eine Reihe von Fotos in einem zickzackförmigen Rahmen auf dem Regal. Auf einem Bild stand eine kleinere, blassere Ausgabe von Charlie mit freiem Oberkörper zusammen mit Thaddeus in einem Berg von weißem Flausch. Sie schmiegten sich aneinander. Im Hintergrund lag ein stiller, perlmuttfarbener See.
»Wir haben früher am jährlichen Eisbärenschwimmen im Olive Lake teilgenommen«, sagte Thaddeus. »Hast du das mal gemacht? Ist mächtig erfrischend.«
Rose schüttelte den Kopf.
»Wer ist das?«, fragte sie und zeigte auf eine dunkelhaarige Frau auf dem Foto daneben. Sie war mager wie ein kleiner Junge und trug eine große Brille mit schwarzem Gestell.
»Das ist Charlies Mutter«, sagte Thaddeus und spülte die Schildkröte über dem Ausguss ab. »Sie hat uns verlassen.«
»Das tut mir leid«, sagte Rose und berührte den Glasrahmen mit dem Finger.
Thaddeus zuckte mit den Achseln und stellte die immer noch schmutzige Schildkrötenschüssel auf das Abtropfgitter. »Du kannst ja nichts dafür.«
Er schlurfte in den benachbarten Raum, und Rose verzog sich mit zwei Büchern in einen Sessel, mit Reed’s Flora und Anatomie von James Reid. Als Erstes war die Flora an der Reihe, wo Die Rose nicht im Geringsten wie sie selbst, Rose, aussah, sondern etwas war, das im Boden wuchs und von Schmetterlingen
Weitere Kostenlose Bücher