Girl Parts – Auf Liebe programmiert
zu lange dauern. Er musste umkehren und sie auf dem Weg nach Norden überholen, und das hieß querfeldein fahren. Charlies altes Gefährt besaß keine nennenswerten Stoßdämpfer, es ratterte und klapperte über die Feldwege. Kiesel flogen hoch und schwirrten gegen die Speichen. Dornengestrüpp verfing sich in Charlies Socken, er atmete tief durch und kämpfte sich voran.
An der Steigung erspähte er die Wagenkolonne. Sie hatte an der Gabelung von Cliff Road und Route 20 haltgemacht. Coleo stand an die hintere Stoßstange gelehnt, mit dem Handy am Ohr. Ein glücklicher Umstand. Charlie überholte die Wagen und lenkte das Vorderrad hangabwärts. Hier gab es keinen Weg mehr, nur unebenen, durchwurzelten, von Steinen übersäten Grund. Charlie verfluchte Thaddeus dafür, dass er nichts von Handys hielt. Vielleicht konnte er Rose ja über Telepathie erreichen. Lauf weg und versteck dich! Sie sind unterwegs und wollen dich holen!
Er erreichte die Hauszufahrt, Kies spritzte fächerförmig vom Hinterrad auf. Er sprang vom Fahrrad und ließ es fallen. Dann stürzte er ins Wohnzimmer. Thaddeus saß an der Küchentheke und löste das Kreuzworträtsel in der Tageszeitung.
»Wo ist …«, keuchte Charlie. Seine Lunge fühlte sich an, als wäre sie voller Sand. Vor seinen Augen tanzten Sterne.
Roses Kopf tauchte hinter der Sofalehne auf. »Charlie! Ich lese gerade ein ganz erstaunliches …«
»Komm mit.« Charlie packte sie bei der Hand. »Wir müssen weg.«
»Jetzt?« Thaddeus schaute nicht von der Zeitung auf. »Du bist doch gerade erst gekommen. Setz dich und iss etwas.«
»Charlie …« Ihre Augen suchten seine. »Was ist los?«
»Wir müssen weg, Dad.« Charlie zog sie auf die Füße.
Thaddeus blinzelte über den Rand der Zeitung. »Stimmt irgendwas nicht?«
»Erzähl ich dir später«, rief Charlie über die Schulter zurück, und dann waren sie draußen in der Nacht und rannten.
Vom Wald hinter dem Haus beobachteten sie, wie die Scheinwerfer des Konvois sich um die Kurve schoben. Das Terrassenlicht ging an. Thaddeus kam in Shorts und T-Shirt an die Haustür.
»Sie suchen mich«, flüsterte Rose. Ihr Atem war heiß und nah.
»Ja.«
Eine Gruppe von drei Männern kam die Hauszufahrt entlang, mit Mr Foridae an der Spitze.
»Das ist er«, sagte sie leise. »Der Mann, der gesagt hat, er würde mich stilllegen.«
Charlie und Rose waren in der Dunkelheit nicht auszumachen, trotzdem duckte sich Charlie noch tiefer. Falls man sie entdeckte, konnten sie im Wald verschwinden, aber die Bäume standen nicht dicht genug, um sich dazwischen zu verstecken. Binnen kürzester Zeit würde man sie einfangen.
»Was wird dein Vater tun?«, flüsterte Rose.
Die Männer stellten sich vor. »Dad, bitte«, sagte Charlie kaum hörbar.
Von dem Gespräch war nur Gemurmel zu hören. Charlie identifizierte die Worte Tochter und verschwunden . Thaddeus’ Miene war steinern, unergründlich. Zuletzt ergriff er das Wort.
»Ich habe sie nicht gesehen«, sagte er laut. Damit wir es hören , dachte Charlie. »Aber ich werde sicherlich die Augen offen halten. So ein Mädchen, das ganz allein unterwegs ist – sie würde wahrscheinlich nach Einbruch der Dunkelheit nicht hier draußen bleiben. Ich wette, sie würde sich auf den Weg in die Stadt machen.«
Coleo nickte, sagte noch etwas. Die Männer kehrten zu ihren Autos zurück.
»Oh nein.«
Rose erstarrte. »Was? Was ist los?«
Coleo bückte sich und untersuchte etwas auf dem Boden. Charlies Fahrrad. Er schaute auf und suchte mit durchdringendem Blick den Wald ab. Seine Augen wanderten über Charlie und Rose hinweg, beschrieben einen sanften Bogen – und sprangen zurück.
»Rühr dich nicht.«
Charlie starrte in die grauen Augen hinter der Drahtbrille. Coleo wandte sich einem seiner Leute zu, sagte etwas, das Charlie nicht hören konnte, und bestieg seinen Wagen.
»Er weiß, dass Dad lügt«, sagte Charlie.
»Was machen wir jetzt?«
»Vom Haus wegbleiben. Zumindest ein Weilchen.«
Charlie fühlte einen warmen Druck auf seinem Knie. Roses Hand hielt seine Jeans fest. Er sah ihre blasse Silhouette, ihr Atem war wie ein Flüstern. Vielleicht war es nur das Adrenalin oder die Angst, aber Charlie hatte plötzlich das Gefühl zu fliegen.
»Ich weiß, wo wir hinkönnen«, sagte sie und nahm seine Hand. »Komm mit.«
Sie rannten durch den Wald, ihr Weg schlängelte sich zwischen den niedrigen Zweigen hindurch. Rose hörte Charlie keuchen. Das Adrenalin in ihrem System trieb sie
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