Girl
muss dazu sagen, dass Lol bei all ihrem Zynismus verzweifelt darauf aus war, dass ich mir Antonio an Land zog, und sei es nur deshalb, damit die anderen nicht länger eine Trauermiene aufsetzten, sobald ich den Raum betrat. Sie plädierte nachdrücklich dafür, dass ich zu meiner Verabredung wie ein Mädchen auf Seite drei bei einer Filmpremiere erschien – in hochhackigen Sandalen und einem Kleid, das eher nach einem breiteren Gürtel aussah.
Irgendetwas sagte mir, dass ich in einer derart plumpen Aufmachung bei Antonio kaum landen würde. Im Nachhinein wurde mir klar, dass ihm die Kommentare der anderen Mädchen im Boot nur peinlich gewesen waren. Außerdem war er Architekturstudent, und das hieß, er hielt sich für intellektuell und eher kunstbeflissen.
Also entschied ich mich für das schlichte: weißer Body, verwaschene knöchellange Jeans und einfache, weiße Turnschuhe, und dazu goldene, baumelnde Ohrringe, um der Sache ein wenig Pep zu geben. Lorraine schaute verächtlich, als sie mich sah, als ob ich mit diesem langweiligen Outfit bereits alle Chancen versiebt hätte. Aber mich scherte das nicht weiter. Wenn ich mich nur bequem und entspannt fühlte, wuchs auch mein Selbstvertrauen. Und wie selbst Lorraine zugeben musste, konnte Antonio noch so hinreißend sein, von der Größe her lag er Tom Cruise näher als Clint Eastwood. Mit Absätzen hätte ich ihn weit überragt.
Beim Essen sprachen wir über sein Studium und über seine Karriereträume als Architekt. Von mir reichte ihm zu erfahren, dass ich in London lebte und mit einem der Mädchen in unserer Gruppe eine gemeinsame Wohnung hatte. Wieder erwies sich die männliche Angewohnheit, Unterhaltungen auf ihre eigenen Aktivitäten zu beschränken, als Bonus. Aber wann, wenn je überhaupt, würde ich einem Mann die Wahrheit erzählen? Im Augenblick jedenfalls noch nicht.
Nachher trafen wir uns mit den anderen im Koo-Koo-Club. Ich hatte zwei oder drei Gläser Wein getrunken, und während wir durch das Dorf zum Club gingen, erschien es als die natürlichste Sache der Welt, dass Antonio seinen Arm um meine Schulter legte und ich ihn um die Hüfte fasste. Tatsächlich hätte ich nichts dagegen gehabt, wenn er mich da schon geküsst hätte.
Das war gleich Lorraines erste Frage, als wir zusammen auf der Damentoilette im Koo-Koo waren. »Nein!« lachte ich, während ich mir durchs Haar bürstete.
»Du hast ihn doch nicht etwa hingehalten, oder? Ich weiß, wie du mit Männern umgehst. So als hättest du die Chinesische Mauer um deinen Slip errichtet.«
»Nein, ich habe ihn nicht hingehalten. Er war ganz Gentleman. Er hat mir ein wunderbares Essen spendiert. Wir haben eine Flasche Wein getrunken, und nachher sind wir Arm in Arm am Hafen entlangspaziert. Es war ein traumhaft romantischer Abend.«
Lorraine setzte ihren Lippenstift ab, zog vor dem Spiegel einen Schmollmund und sagte skeptisch: »Huh …« Dann trafen sich unsere Blicke im Spiegel, und Lorraine bedachte mich mit ihrer gesammelten Weisheit: »Also, Jacqueline Barrett, ich kann dir dazu nur sagen, dass du ihn am besten zurückküsst, wenn er dir einen Kuss zu geben versucht.
Ich habe mir deinen Antonio lange und aufmerksam angeschaut. Und ich bin zu dem Schluss gekommen, dass er das beste Stück in Hosen ist, das ich die ganze Woche über zu sehen bekommen habe. Wenn du ihn nicht willst, dann werd’ ich ihn mir verdammt noch mal schnappen.«
Und damit verließen wir die Toilette und traten zurück auf das Schlachtfeld.
Er küsste mich bei ›True‹, dem alten Spandau-Ballett-Song. Ich musste beinahe lachen, als er mich zu einem langsamen Tanz an sich presste und sich dann ein Herz fasste, weil ich es viele Male selbst so gemacht hatte, mit zahllosen Mädchen, und zum gleichen Song.
›1 know this love is true‹, lautet der Refrain, und das ist der Hinweis, sie an dich zu ziehen, ihr in die Augen zu blicken, als ob es dir ganz und gar ernst ist, und ihr dann mit der Zunge in den Mund zu fahren.
Ich erinnere mich, dass Mike und ich eine genaue Tabelle möglicher weiblicher Reaktionen auf diesen Eröffnungsschritt ausgearbeitet hatten. Ein D (für Durchgefallen) bekam man, wenn sie dir eine runterhaute. Das war der schlimmstmögliche Fall. Ein C gab’s dann, wenn sie den Mund zurückzog, aber mit ihrem Körper nicht weiter als fünfzehn Zentimeter von dir abrückte. In diesem Fall konnte man mit harter Arbeit und Hartnäckigkeit eventuell doch noch ans Ziel kommen.
Wenn sie deinen Kuss
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