Girl
beruhigt hatten, dass wir wieder halbwegs vernünftig miteinander reden konnten, erklärte Mel die ganze Geschichte. Die Macher der zweitbeliebtesten Fernsehserie im ganzen Land wollten die Sendung wieder an die Spitze hieven. Einer der Produzenten hatte Mel auf der Bühne tanzen sehen und von einem Freund erfahren, dass es sich bei ihr strenggenommen um einen ihn handelte.
Bingo! Genau das war’s. Was konnte das
Eastenders-
Publikum mehr aus den Socken hauen als ein sexy, schwarzer Transsexueller? Und das BBC-Management würde genauso begeistert sein. In ihren Augen würde Melanie mehr oder weniger als Frau durchgehen. Sie war eindeutig schwarz. Und wenn sie ein Transvestit war, musste sie schwul sein, richtig? Besser ging’s nicht. Drei Randgruppen auf einmal, die mit nur einer einzigen Neubesetzung bedient werden konnten.
Drei Tage später musste Melanie im
Eastenders-Büro
in Elstree vorsprechen. Eine Kostprobe ihrer 50-Megawatt-Persönlichkeit reichte aus, um alle davon zu überzeugen, dass sie genau die Richtige war.
Die Zuschauer würden ihr zu Füssen liegen. Fleet Street käme gar nicht mehr zur Ruhe. Allein die Berichterstattung darüber, wo sie bis zur Operation ihre Weichteile verstaute, würde die Seiten über Monate füllen. Man brauchte sie einfach nur vor eine Kamera zu stellen und warten, dass die Einschaltquoten in die Höhe schössen.
Es war sogar im Gespräch, dass sie die Kosten für Melanies wirkliche Geschlechtsumwandlung tragen würden und dies als Erzählfaden mit in die Serie einbauen würden. Die ganze Nation würde am entscheidenden Tag vor der Glotze hängen. Es wäre ein Größeres Ereignis als das Endspiel der Fußballweltmeisterschaft, Größer noch als die Hochzeit von Prinz Charles und Lady Di – und von den Resultaten her sogar dauerhafter.
»Du musst natürlich deinen Akzent ändern«, sagte ich. »Ich meine, du sprichst nicht gerade reines Cockney, oder?«
»Null Problem«, sagte Mel.
»Oi can do ’em a tasty bitta Cockney, or’righ’.
Noch Fragen, ey?
Or I an’I gofe dat Rasta sound, inna raggamuffin-style, he?«
Ich lachte. »Kannst du dich noch daran erinnern, wie deine Stimme ursprünglich mal klang?«
»Aber klar doch, Kumpel«, sagte Mel und wurde ausnahmsweise einen Augenblick völlig ernst. »Aber ich gehe nie wieder dahin zurück, niemals!«
»Das brauchst du jetzt auch nicht mehr«, sagte ich.
Ich war so glücklich für Melanie, dass es mir nie in den Sinn gekommen wäre, ihre Neuigkeit könnte auch für mich Konsequenzen haben. Aber da lag ich falsch. Auf der Pressekonferenz dankte sie ihrer Familie und ihren sämtlichen Freunden, die ihr in den letzten Monaten geholfen hätten, »… ganz besonders meiner lieben Freundin Jackie Barrett«. Dann machte sie einen dicken Schmatzer in die Kamera und sagte: »Schwester, ich liebe dich!«
Fünf Minuten später kam bei Mimi Hart Associates sämtliche Arbeit zum Erliegen, da alle Telefonleitungen von Zeitungen, Rundfunkanstalten und Fernsehshows blockiert waren, die um eine Stellungnahme baten oder einen Interviewtermin vereinbaren wollten.
Mimi war fuchsteufelswild. »Wenn unsere Firma Ihre PR übernehmen soll, dann zahlen Sie mir bitte dreitausend Pfund im Monat, und ich sehe zu, dass alles zu Ihrer Zufriedenheit ausgeführt wird. Wenn Sie aber weiterhin von mir bezahlt werden möchten, würde ich vorschlagen, dass Sie Ihre Ambitionen auf Starruhm gerade so lange zurückstecken, bis die Briefe getippt sind, um die ich Sie vor drei Stunden gebeten habe, bis Sie meinen Flug am Freitag nach Paris bestätigt haben und bis Sie herausgefunden haben, ob diese Volltrottel in der Reinigung erfolgreich mein liebstes Versace-Kostüm ruiniert haben. Habe ich mich klar ausgedrückt?«
»Ja, Mimi«, sagte ich kleinlaut, während alle anderen Mädchen im Büro wegzuschauen versuchten.
»Camilla!« brüllte Mimi die Empfangsdame an.
»Ja, Mimi?«
»Seien Sie bitte so freundlich, und stellen Sie sämtliche Presseanfragen an meine Assistentin zu mir durch.« Sie richtete ihren Blick wieder auf mich. »Ich trete eine Stunde meiner ausgesprochen wertvollen Zeit an Sie ab. Aber wenn ich bis dahin nicht die drei Briefe, mein Ticket und ein frisch gereinigtes Kostüm auf meinem Schreibtisch habe, ziehe ich meinen Lohn von Ihrem Gehalt ab.«
Und damit machte sie auf einem Absatz ihrer schwarz glänzenden Manolo-Blahnik-Pumps kehrt und verschwand in ihrem Büro. Eine Stunde später klingelte bei mir das Telefon. Es war Mimi.
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