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Girl

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Titel: Girl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Thomas
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Sache zu hören, um wie viel schlimmer musste es dann sein, wenn sie an einem selbst vollzogen wurde.
    Niemand war also überrascht, als ein weiterer Experte im Zeugenstand – ein Professor für Psychiatrie, der auf Geschlechtsdysphorien spezialisiert war – die mit der Transsexualität verbundenen traumatischen Erscheinungen erläuterte. McGoldrick wollte ihn zu der Aussage bewegen, ich sei in gewisser Weise zu einer Geschlechtsumwandlung wie geschaffen gewesen. »Wie hätte Miss Barrett sich so schnell der neuen Situation anpassen können, wenn in ihr nicht bereits vorher transsexuelle Tendenzen angelegt waren?«
    Aber der Professor wollte davon nichts wissen. Genau wie Jenny Fielden ging er davon aus, dass meine persönliche Wandlung von Wut und Ablehnung hin zur Annahme meiner Situation als klassische Reaktion eines Individuums auf eine traumatische Erfahrung zu begreifen sei. Die Art, wie ich mich mit meiner Geschlechtsumwandlung arrangiert habe, unterscheide sich in keinster Weise von der eines Krebspatienten, der mit der Mitteilung, unheilbar krank zu sein, umzugehen lerne. Wie groß auch der Schock für den Organismus sei, der Mensch könne sich ihm anpassen und sich darauf einstellen.
    Der Vergleich von Krebs und Kastration versetzte der Stimmung im Gerichtssaal noch einen Dämpfer. Inzwischen ging es auf den späten Nachmittag zu. Sir Roderick erklärte dem Richter, die Vorstellung der aktuellen Umstände und der Art des an mir vorgenommenen Eingriffs seien damit beendet. Er beabsichtige, weitere Zeugen aufzurufen, die sich zu den Auswirkungen der Operation auf meinen Charakter äußern würden. Aber, gab er respektvoll zu verstehen, damit könne vielleicht morgen mit neuen Kräften begonnen werden.
    Der Richter erwiderte, er sei nur zu erfreut, die Sache für heute abzublasen. Oder, wie er sich ausdrückte, ›die Veranstaltung für heute zu schließen«. Alle gingen, sich weiterhin angeregt über die gräulichen Details unterhaltend. Als ich den Gerichtssaal verließ, kam ich an zwei Männern vorbei, die sich auf dem Flur unterhielten.
    »Es sieht ja nicht schlecht aus«, sagte der eine zum anderen, »aber mal ehrlich, würdest du es flachlegen wollen?«
    »Keine Sorge«, sagte ich,
»es
würde dich auch gar nicht ranlassen, und wenn du der letzte Schwanz auf Erden wärst.«
    6. Oktober
    Die letzten zwei Tage gingen wirklich an die Substanz. Mittwochmorgen brachte die ›Mail‹ eine Foto-Reportage über mich, jetzt, da ich nicht mehr bei ihnen unter Vertrag stehe, hat sich ihre Einstellung gründlich geändert.
    Die Überschrift auf der Seite lautete: EXCLUSIV! JACKIE BARRETT ZUM SELBERBASTELN! Sie hatten Bilder von vor und nach der Operation abgedruckt und dazu eine Anleitung wie bei einem Airfix-Modell, in der beschrieben wurde, wie Bradley sich in Jacqueline verwandelt hatte. Kleine Pfeile deuteten auf verschiedene Teile meines Gesichts und meines Körpers, und daneben waren kleine Kästchen, in denen sämtliche Einzelheiten über meine Operation, über die verabreichten Medikamente und so weiter abgedruckt waren.
    »Sehen Sie?« höhnte Clive Horrocks, als er mir die Neuigkeit am Telefon mitteilte. »Das passiert, wenn man die Mitarbeit aufkündigt und sich nicht mehr zur Verfügung stellt. Man bekommt kein Geld mehr für harmlose kleine Mode Aufnahmen. Sie machen einen ganz ohne Bezahlung fertig.«
    Vor Gericht gab es gleich noch mehr davon. Lorraine, Mike, Linton McCourt und Melanie Kim wurden nacheinander zu meiner Persönlichkeit befragt. Die Vorgehensweise war dabei stets dieselbe, indem Helen McGoldrick aus ihnen herauszuquetschen versuchte, was für ein Mistkerl ich früher gewesen war, wie wenig Geld ich hatte und wie schlecht meine Aussichten waren, um das dann meiner gegenwärtigen Situation gegenüberzustellen.
    Die Frau hatte wirklich Talent, die Dinge auf den Kopf zu stellen. Sechs-Zoll-Nägel wurden bei ihr zu Sicherheitsnadeln. Sie hielt Lorraine über eine Stunde lang im Zeugenstand fest, indem sie sie sämtliche Unfeinheiten aufzählen ließ, die ich zur Zeit unserer Freundschaft gesagt oder getan hatte, um sich anschließend endlos darüber auslassen zu dürfen, um wie viel hübscher mein neues Apartment war, wie geschmackvoll ich es eingerichtet hatte und wie penibel ich es sauber hielt.
    Dann wurde sie zu Jonathan befragt. Und irgendwie brachte sie Lorraine dazu, ihn als gutaussehend und erfolgreich hinzustellen – was sicherlich auch stimmte –, ohne ihr jedoch die Chance zu

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