Girl
in den Zeugenstand gebeten hatte. Dann würden Experten den Tatbestand medizinisch exakt erläutern und ausführen, welche psychologischen Folgen ein solcher Eingriff im Regelfall nach sich zog. Jackie Smith, Mike und Lorraine wären dann aufgerufen, meine Reaktionen auf das Geschehene zu beschreiben und meine tiefen Depressionen meinem ehemals lebensfrohen Charakter gegenüberzustellen. Und zuletzt würde ich zur Abrundung unserer Sicht in den Zeugenstand treten.
Zuerst wurden noch zwei weitere Zeugen zu den Ereignissen des Tages befragt, einmal Jackie Perkins, die Stationsdienst hatte, als ich zu mir kam, und Charmaine, die sozusagen die zweite Hälfte meiner Geschichte darstellte.
Jackie war eine großartige Zeugin. Zunächst einmal vertrauen die Leute einer Schwester grundsätzlich, und sie war so überaus freundlich und aufgeräumt, ihr einnehmendes Äußeres nicht zu vergessen, dass sie auf alle Fälle einen guten Eindruck machen musste. Dennoch nahm Helen McGoldrick sie in ein ausdauerndes, hartnäckiges Kreuzverhör.
Sie ließ Jackie in allen peinlichen Details meine Flüche, die obszönen Gesten und Drohungen wiedergeben, die ich in den ersten Tagen von mir gegeben hatte. Und jedes Mal, wenn Jackie mein Verhalten entschuldigen wollte und gerade ›aber‹ gesagt hatte, drängte McGoldrick sie zur Beantwortung der nächsten Frage.
Danach beschrieb Charmaine in ihrer Aussage, wie sie nach zwei Jahren Vorbereitung und lebenslangem Hoffen zu einer Geschlechtsumwandlung ins Krankenhaus gegangen sei, nur um mit einem ramponierten Kiefer und einem überflüssigen Schwanz aufzuwachen. Sie erklärte, wie wütend wir über unsere jeweilige Situation waren und wie wir versucht hatten, jemanden zu finden, der meine Operation rückgängig machen konnte.
Helen McGoldrick versuchte die meiste Zeit des Nachmittags über nachzuweisen, dass Charmaine ein Fall für den Papierkorb war. Ihre Theorie war, dass Charmaines sämtliche Erinnerungen durch Anästhetika und Schmerzmittel benebelt waren, dass ihre Transsexualität sie voreingenommen mache und dass die dauerhafte Einnahme von Hormontabletten in den vergangenen zwei Jahren sie instabil gemacht habe.
»Sie könnten recht haben«, sagte Charmaine, die sich von niemandem irgendwelchen Schwachsinn vorsetzen ließ. »Aber ich führe meinem Körper nur das zu, was in Ihrem bereits vorhanden ist. Wenn ich also instabil bin, dürften Sie, meine Liebe, kurz vor dem Umkippen stehen.«
Das war nicht die Art von Behandlung, die Helen McGoldrick gewohnt war, aber auf unserer Seite des Gerichtssaals gab es lauter grinsende Gesichter. Als die Reihe an Sir Roderick kam, stellte er Charmaine eine Reihe von Fragen, die meine damalige Not und Verzweiflung unterstrichen und nachdrücklich bestätigten, dass ich alles darangesetzt hatte, die Operation so schnell wie möglich rückgängig zu machen.
»Hören Sie, Darling«, sagte Charmaine. »Wenn der Junge mir meinen Schwanz mit einem Schweizer Armeemesser hätte abschneiden und bei sich hätte anflicken können, glauben Sie mir, er hätte es getan.«
Der Richter schien über die Ausdrucksweise der Zeugin nicht sonderlich begeistert, aber man sah, dass der springende Punkt sehr wohl rübergekommen war. Und damit wurde die Verhandlung für den ersten Tag geschlossen.
»Wie schlagen wir uns?« fragte ich Sir Roderick, als wir das Gerichtsgebäude verließen und uns auf das Mediengedränge zubewegten.
»Nicht schlecht«, sagte er. »Hätte trotzdem besser laufen können – diese Ziege McGoldrick ist verdammt gut, gar keine Frage, und sie wird um jeden Zentimeter Boden kämpfen. Aber wir haben die Nase vorn, und ich bin fest davon überzeugt, das wird auch so bleiben.«
4. Oktober
Zweiter Tag: Ich trug einen weit ausgestellten, beigen Hosenanzug und versuchte, den geladenen Experten nicht allzu genau zuzuhören.
Die ganzen grausigen Details, wie meine Hoden und mein Penis entfernt und entsorgt worden waren, wurden mit mikroskopischer Genauigkeit untersucht, sehr zum sichtbaren Unbehagen der im Saal anwesenden Männer. Dann wurden mit der gleichen minutiösen Detailversessenheit die Methoden erklärt, mit denen man eine künstliche Vagina formen konnte, zusammen mit einer Klitoris, die sich aus übriggebliebener sensitiver Haut von Penis und Skrotum bilden ließ.
Zur Mittagszeit sah man, dass dem Publikum beinahe schlecht war, was genau unserer Absicht entsprach. Unser Gedanke war, wenn es schon derart schlimm war, von einer solchen
Weitere Kostenlose Bücher