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Girl

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Titel: Girl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Thomas
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reden zu wollen, aber er war total von der Rolle, seine Hände auf meine Brust und sonst wohin legen zu müssen, obwohl ich zugeben muss, er machte seine Sache gut.
    Nachdem ich Hemd und Krawatte sowie eine zweireihige Weste übergezogen hatte – anthrazitfarben, von Hugo Boss, und todschick –, hätte niemand sagen können, dass irgendetwas mit mir passiert war. Ich ging in die Küche, wo Mike gerade Kaffee aufbrühte, und fühlte mich ganz Mann.
    »Na, was meinst du?« fragte ich ihn.
    »Einsame Spitze«, sagte er. Wir gaben uns fünf, und ich sagte: »Aufgepasst, Leute, der Boss meldet sich zurück.«
    Auf der Fahrt zur Arbeit verlief alles bestens. Sei es im Zug nach Viktoria, in der U-Bahn bis Oxford Circus oder inmitten der Menge auf dem Weg zum Office in der Mortimer Street … ich war unsichtbar. Ich war ein Kerl wie jeder andere unterwegs zur Arbeit, und keiner schenkte mir irgendwelche Beachtung. Aber – und das war das beste – als ich am Oxford Circus aus der U-Bahn stieg und mein Blick auf dieses brünette Wesen gleich neben der Tür fiel – das gar nicht mal schlecht aussah –, lächelte sie mich an, als wollte sie sagen: »Mmmm … Du bist genau mein Typ.«
    Siegessicher betrat ich das Office. Linton empfing mich am Eingang zum Großraumbüro, in dem unsere gesamte Abteilung untergebracht ist.
    »Ich habe alle gebeten, zehn Minuten früher da zu sein«, sagte er. »Ich möchte ihnen kurz etwas sagen.«
    Er führte mich ins Büro, wo die komplette Mannschaft versammelt war, auf Stühlen und Tischen hockte, in der Zeitung blätterte oder sonst was tat. Zusammen sind wir etwa zehn Leute, die beiden Sekretärinnen mit eingerechnet. Bei meinem Eintritt wurde ich mit nervösem Lächeln, Kopfnicken und ähnlichen Reaktionen begrüßt.
    »Also«, ergriff Linton das Wort, »Bradley ist wieder da. Ihr alle wisst, was ihm widerfahren ist. Ihr habt’s in der Zeitung gelesen. Ihr habt Blumen geschickt. Einige haben ihn sogar im Krankenhaus besucht… hoffentlich nicht während der Arbeitszeit.
    Ich jedenfalls gehe davon aus, dass Bradley genauso effektiv arbeitet wie vor seinem kleinen Unfall. Das geht aber nur, wenn er hundertprozentig bei der Sache ist. Also… keine dummen Fragen, keine Kommentare, keine blöden Witze.«
    Er machte eine kurze Pause. »Nein, falsch, ihr habt mein volles Einverständnis, wenn ihr ihm sagt, dass er seine billigen deutschen Anzüge im Schrank lassen soll. Und seine sämtlichen Kassetten mit weißer Charts-Musik könnt ihr auch gleich aus seinem Autofenster Schmeißen. Meine Güte, Bradley … warum konnten die Jungs im Krankenhaus dir nicht gleich einen neuen Satz Ohren verpassen?«
    Das gefiel mir. Denn über meine Klamotten und meine Musik hatte er sich immer lustig gemacht. Und dass er das jetzt wieder tat, zeigte nur, dass er mich ganz für den alten hielt.
    Linton ist kaum aus der Tür, weil er ein Treffen mit einem Verleger hat, und schon stehen alle um mich herum, schütteln mir die Hand oder klopfen mir auf die Schulter. Das ist natürlich keine so großartige Idee, weil die Schläge geradewegs durch mich hindurchgehen und meine Nippel gegen die Bandagen quetschen.
    Aber das ist bald vergessen. Ehe ich mich versehe, drücken mir die beiden Tippsen dicke Küsse auf die Wange, und Penny, die für einen kleinen Flirt immer zu haben ist, meint: »Sobald sie dich wieder zusammengeflickt haben, schmeiß ich eine Nummer auf Kosten des Hauses … so als kleine Feierstunde.« Daraufhin brach natürlich allgemeiner Jubel aus, und wir waren so richtig in Partylaune, als wir uns endlich ans Arbeiten machten.
    Doch genau da fing der Ärger an. Den ganzen Tag über hänge ich am Telefon, so wie immer, verkaufe Anzeigen Plätze, vereinbare Termine mit Werbeagenturen, verabrede mich zum Lunch mit Geschäftspartnern … eben das übliche. Nur dauert jetzt jedes Gespräch mindestens dreimal so lang, weil jeder Anrufer mit den gleichen blöden Fragen kommt, die mir schon die TV-Crews aus Japan, Brasilien und Timbuk-scheiss-tu gestellt haben.
    Bei Büroschluss war ich wie gerädert und hatte die Schnauze gestrichen voll davon, jedem Geschäftsleiter und jedem Werbefritzen immer wieder die gleiche abgefuckte Geschichte vorkauen zu müssen. Und außerdem gingen mir die immer gleichen dämlichen Witze über den Chirurgen, dem zwei hübsche Eier ins Nest gefallen waren, oder dass ich in die Medizingeschichte eingehen würde, weil ich nach einer Kieferoperation unfruchtbar geworden war,

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