Girl
wie es wäre, sich an einen anderen Namen zu gewöhnen. Schecks mit Cindy Barrett zu unterschreiben. Oder wenn jemand sagte: »Hallo, Cindy, wie geht’s?« Vermutlich würde ich mich umdrehen und rätseln, wer damit gemeint war. Ich hätte gewettet, Reg Dwight war es jahrelang so gegangen, nachdem er zu Elton John geworden war.
Dennoch hatte Kate recht. Ich war bereits mit zu viel Plastik ausstaffiert, um mir auch noch einen Puppennamen zuzulegen. Und Michelle ließ sich schlecht abkürzen: Mickie? ’Chelle? Funktionierte irgendwie nicht.
Wir probierten es noch mit einer Handvoll weiterer Namen aus. Zuerst die stinknormalen Allerweltsnamen wie Mary, Jane und Elizabeth, dann ein paar von der Straße wie Tania, Bet und Dierdre. Aber zu guter Letzt blieb ich bei Jackie, wie meine Krankenschwester, weil sie einfach so nett zu mir gewesen war.
Ich rief meine Eltern an, um ihnen die Neuigkeit mitzuteilen. Mum hatte ihren Bridgeabend, also plauderte ich ein wenig mit Dad. Der Gedanke, seinen Sohn zu verlieren, machte ihm arg zu schaffen.
»Tut mir leid, Dad, dass du dir wegen mir so viel Kopfzerbrechen machst. Ich wollte dir nur erklären, wieso ich zu dieser Entscheidung gekommen bin. Du musst verstehen, ich kann unmöglich so weitermachen wie bisher. Ich kann nicht weiter in der Gegend herumlaufen, ohne das eine oder das andere zu sein. Ich muss einfach eine richtige Frau werden.« »Tja, nun, du wirst schon wissen, was du tust. Ich kann’s dir nicht verübeln, Junge. Ich meine, bei dieser ganzen Emanzipation und den Gleichstellungskommissionen und Gott weiß was, die Zukunft gehört den Frauen.«
Er machte eine Pause. »Wenn man sie anders nicht packen kann, schlägt man sich eben auf ihre Seite, was?«
»So ähnlich. Und, Dad … äh, wo wir gerade bei Entscheidungen sind, sollst du auch gleich wissen, dass Kate und ich einen neuen Namen für mich gefunden haben…«
»O Gott…«, murmelte mein Vater am anderen Ende der Leitung.
»Jedenfalls haben wir uns für ›Jackie‹ entschieden. Wie die nette Schwester, die sich im Krankenhaus um mich gekümmert hat.«
»Himmelnocheins, Bradley, muss das sein? Also …«
»Jackie, Dad. Von jetzt an heiße ich Jackie.«
»Äh, richtig … Jackie. Tut mir leid, mein Sohn, aber man muss sich erst daran gewöhnen.«
»Und Dad …«
»Ja?«
»Ich bin nicht mehr dein Sohn. Ich bin deine Tochter.«
Ich hatte fast Mitleid mit Dad, als er den Hörer auflegte. Welche Geschichten auch immer Mum von ihrem Bridgeabend mit nach Hause brachte, Dad würde ganz bestimmt den Vogel abschießen.
Gemäß unserer vertraglichen Vereinbarung musste ich auch die ›Mail‹ anrufen und ihr die Neuigkeit mitteilen. »Jackie?« sagte die Frau am anderen Ende. »Hmmm. Ich weiß nicht, ob uns da nicht etwas, sagen wir, Publikumswirksameres eingefallen wäre.«
Ich wusste nicht, was ich darauf antworten sollte, außer, die kleine versnobte Kuh könne mich mal kreuzweise. Aber sie hatte bereits von selbst eine Lösung gefunden.
»Andererseits«, fuhr sie fort, »geht es kaum publikumswirksamer, als sich nach der kürzlich verstorbenen, viel beweinten Jackie Onassis zu nennen. Yeah, das ist es, wir erzählen den Leuten, Jackie sei die Kurzform von Jacqueline, genau wie bei ihr. Perfekt. Und, was ich noch sagen wollte, Clive Horrocks hat das von Ihrem Gesichtschirurgen entwickelte Bild vorgelegt. Wenn der Mann das auch nur halbwegs so hinbekommt, brauche ich unbedingt die Adresse, Darling, dann will ich nämlich die gleiche Operation.«
GESTATTEN, JACQUELINE BARRETT, lautete heute die Schlagzeile der ›Mail‹ auf Seite 3. »Dieses bildhübsche Gesicht wird der umstrittene Schönheitschirurg James Mandelson dem ehemaligen Bradley Barrett geben. Und mit ihm bekommt die hübsche, frischgebackene junge Blondine auch einen neuen Namen: Jacqueline.«
Die Story füllte eine halbe Seite. Ich selbst wurde zitiert, und auch von Dr. Mandelson tauchte die hübsche Bemerkung auf, sein Job sei es nicht, Schönheit zu schaffen, sondern die im Inneren vorhandene Schönheit ans Licht zu holen. Sie hatten auch ein paar dieser sogenannten Experten nach der tieferen Bedeutung der Namenswahl Jacqueline befragt, aber ich muss gestehen, dass ich bis dahin gar nicht mehr kam. Ich blickte nur auf die Überschrift und das daneben abgebildete Foto.
GESTATTEN, JACQUELINE BARRETT. Höchste Zeit für mich, sie selbst kennenzulernen.
1. Januar
Das Beste ist, dass ich keine faule Show mehr abziehen muss.
Also, ich
Weitere Kostenlose Bücher