Girl
Schlafzimmer, das Bad, die Küche und das Wohnzimmer – und zwei Mini-Zimmer – den Flur und die Gästetoilette – machte zusammen sechs. Ich hatte pro Raum eine Stunde angesetzt, plus eine Stunde Pause fürs Mittagessen und eine halbe Stunde für den Weg zum Waschsalon. Das machte zusammen siebeneinhalb Stunden, also bis halb sechs. Ich konnte dann noch ein schönes, ausgiebiges Bad nehmen, mir die Haare waschen und mich umkleiden, bevor Mike um sieben nach Hause kam.
Er würde mich lang auf dem Sofa ausgestreckt vorfinden, mit einem Hochglanz-Magazin und einem guten Glas kühlen Weißweins in der Hand. Ich hatte sogar einen grossen Strauss weißer Tulpen gekauft, die ich in eine Vase auf den Beistelltisch stellen wollte, um den Raum freundlicher zu machen.
Ich strich mir die Haare aus dem Gesicht und steckte sie mit einem Haarreifen fest. Dann machte ich mich an die Arbeit. Am besten, ich fange gleich mit dem beschissensten Teil an, und von da an wird’s immer leichter, dachte ich. Also steckte ich meine sämtlichen Flaschen, Dosen und Schwämme in einen Eimer und marschierte ins Bad.
Eine Dreiviertelstunde später war ich immer noch beim Aussortieren. Ich hätte mir nie träumen lassen, wie viel Müll man in einem zweieinhalb Quadratmeter großen Badezimmer unterbringen konnte. Da war zunächst einmal Mikes komplette Ausrüstung – Rasierzeug, Shampoo, Aftershave, Haargel, Puder gegen Schweißfüße, Deep-Heat-Muskelgel und weiß Gott was noch alles. Dann mein alter Krempel, den ich nie ausrangiert hatte, plus meine sämtlichen Kosmetika von meinem Großeinkauf bei Harvey Nicks sowie jede Menge weiteres Zeug, von Parfüms bis zu Slip-Einlagen – eben der Ramsch, den man als Frau zu brauchen schien.
Ich entdeckte mehrere angebrochene Packungen Aspirin, bei denen die Verpackungsfolie soweit verschrumpelt war, dass man nicht mehr erkennen konnte, ob noch Tabletten drin waren oder nicht. Dann gab es Hustensaftflaschen, die im Toiletten Schrank festklebten, weil der Inhalt übergelaufen und um den Flaschenboden herum wie Superkleber eingetrocknet war. Es gab diverse braune Pillendöschen, die einem vor Jahren verschrieben worden waren, und zerfledderte Reste von Stützbandagen für Mikes Verletzungen beim Fußball. Es gab vermutlich einige Länder der Dritten Welt, die medizinisch nicht so gut versorgt waren wie wir.
Ich konnte nicht einfach alles im Spiegelschränkchen über dem Waschbecken verstauen, weil der Schrank erstens vollkommen verdreckt war und zweitens auch gar nicht genug Platz bot. Also musste ich erst sämtliche Regalfächer sowie deren Inhalt säubern, und zwar gründlich. Dann aus dem Müll aussortieren, was brauchbar war und was in den Abfall wanderte; was übrig blieb, mit einem Tuch abwischen, und schließlich alles hübsch sauber und ordentlich und in vernünftiger Anordnung einräumen.
Danach nahm ich Wanne, Becken und Toilette in Angriff. Als ich auf Händen und Knien vor der Toilette hockte und das Abflussrohr hinter der Schüssel mit Syph bearbeitete, wurde mir klar, dass der vom Bodenbelag aufsteigende Pissegestank dermaßen eklig war, dass es mit Staubsaugen allein nicht getan war. Ich musste den ganzen Teppich schrubben, zumal auch um die Wanne herum alles klamm und muffig war.
Bis Mittag hatte ich gerade mal das Bad geschafft. Obwohl ich sagen muss, es glänzte wie neu. Wenn ich mir etwas vornehme, dann mache ich es auch richtig. Sämtliche Hähne und Griffe im Bad waren blankpoliert und strahlten. Die Shampoo-Flaschen standen der Größe nach aufgereiht neben der Wanne. Mikes Rasierer, die Klingen und die Dose Giletteschaum hatte ich in seine Kulturtasche gesteckt und im Schränkchen verstaut. Ein Fach war für sein Zeug, die anderen drei für mein Make-up etc., und obendrauf stand eine alte Keksdose mit den Medikamenten.
Das Beste allerdings war der Geruch. Man konnte tatsächlich tief einatmen und hatte das Gefühl von reiner und frischer Luft. Der Teppich hatte buchstäblich eine neue Farbe und fühlte sich weich und flauschig an. Und aus der Toiletten Schüssel hätte man getrost essen können.
Scherz beiseite, meinen Hüttenkäse mit Ananas und meinen fettarmen Joghurt löffelte ich selbstverständlich am Küchentisch sitzend. Na ja, hängend wäre wohl der treffendere Ausdruck – ich war wie gerädert. Das Wischen und Schrubben macht einen echt fertig. Ich hatte während der Semesterferien schon auf dem Bau gearbeitet, aber ein halber Tag auf der Baustelle hatte mich
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