Girl
muss nicht ständig große Töne spucken, um zu beweisen, was für ein toller, starker Kerl ich bin. Denn, seien wir ehrlich, ich bin keiner.
15. März
Ich habe festgestellt, dass mein Geruchssinn weitaus sensibler geworden ist, was eine Nebenwirkung der Tabletten sein muss. Manchmal ist es angenehm – wenn ich den Duft von Blumen rieche beispielsweise. Aber es gibt Situationen, in denen es weniger vorteilhaft ist. In unserer Wohnung. Ich glaube, sie ist nicht verdreckter als sonst auch. Aber ich bin sicher, den Dreck vorher nie so wahrgenommen zu haben wie jetzt. Auf einigen unserer Badetücher könnte man Champignons züchten. Wenn man den elektrischen Handtuchhalter einschaltet, steigt ein stickiger, muffiger Gestank auf wie Sumpfgas aus einem Tümpel.
Mike scheint das nichts auszumachen. Na ja, warum sollte es auch? Mich hat’s schließlich auch nie gestört.
Genauso wenig scheint ihn die Klobrille zu kümmern. Er lässt sie einfach unten, rundum mit Tröpfchen besprenkelt und kleinen Spritzern auf dem Fußboden, wo er sein Ziel verfehlt hat. Nicht, dass man mich falsch versteht. Ich kann das nachvollziehen. Ich weiß, wie schwierig es ist, mit einer Morgenlatte den Strahl richtig in die Schüssel zu lenken. Bei mir galt immer die Faustregel, dass alles, was im Umkreis von sechzig Zentimetern neben der Toilette niederging, noch halbwegs als Treffer gelten konnte. Und wenn sich mal ein Schwanzhaar unter der Vorhaut verfangen hatte, ließ sich schwerlich vorhersagen, wohin der Schlauch zeigte. Insofern kann ich mitfühlen. Aber ich habe herausgefunden, dass man eine völlig neue Perspektive entwickelt, wenn man alles im Sitzen erledigen muss.
Das Ergebnis ist, dass ich die halbe Zeit damit verbringe, das Badezimmer zu putzen, Handtücher in den Waschsalon zu bringen sowie Frischluft-Sprays und die kleinen blauen Kügelchen zu kaufen, die man in den Wasserkasten hängt, um die Wasserhygiene zu verbessern.
Der Rest der Wohnung sieht nicht besser aus. Da gibt’s nichts zu deuteln – wir haben zwei Jahre in einem Saustall gehaust. Die Teppiche sind übersät mit Brandflecken von Zigaretten und mit einer knietiefen Staubschicht überzogen, weil unser Hoover vor ungefähr sechs Monaten den Geist aufgegeben hat und wir uns nie dazu durchringen konnten, ihn zu reparieren. Ganz zu schweigen von den unzähligen Wein- und Kaffeeflecken.
Im Wohnzimmer steht eine Obstschale mit zwei Orangen, die durch Schimmel wieder grün geworden sind. Der Herd ist besser gefettet als die Achsen eines Sattelschleppers und stinkt noch schlimmer. Und in der Mikrowelle liegt eine Drei-Zentimeter-Schicht verkrusteter Überbleibsel von TV-Dinnern, die sich über Monate dort angesammelt haben und tausendmal mit aufgewärmt wurden.
Wenn ich auf dem Sofa sitze und fernsehe, habe ich manchmal unwillkürlich das Gefühl, als würden tausend kleine Käfer unter dem Kissen hervorkriechen und an mir hoch krabbeln. Ich traue mich nicht, Mike davon zu erzählen. Er würde denken, ich hätte nicht mehr alle beisammen.
Also muss ich die Sache selbst in die Hand nehmen. Morgen habe ich einen freien Tag – keine Kurse, keine Behandlung, nichts. Als erstes werde ich zu Sainsbury’s gehen. Ich werde mich mit sämtlichen Putzmitteln eindecken, die die Menschheit je gekannt hat. Dann gehe ich zu Curry’s und besorge uns einen neuen Staubsauger. Was es auch kostet – ich werde diesem Loch einen gründlichen Frühjahrsputz verpassen.
16. März
Von wegen Nägel mit Köpfen machen. Punkt halb acht war ich aus dem Haus, und um zehn stand ich voll ausgerüstet mit zwei Flaschen Fairy Ultra, ]if, Ajax, 1001-Heckentferner, Fensterklar und Dettox-Desinfektionsmittel wieder auf der Matte; dazu je eine Spraydose Mr. Muscle für den Herd und Mr. Sheen für die Möbel – darf ich vorstellen, Mr. Muscle, Mr. Sheen, Sie werden sich bestimmt
viel
zu erzählen haben – paketweise Schwämme, Staubtücher und Wischlappen; einen neuen Besen, Aufnehmer, Kehrblech und Handfeger; zwei Paar neue Gummihandschuhe und natürlich einen brandneuen Staubsauger, komplett mit rollbarem Kabel. Mit meinem Equipment hätte ich es sogar mit Tschernobyl aufgenommen.
Ich hatte alles Generalstabs massig geplant. Zuerst brachte ich unsere sämtlichen Laken, Handtücher, Badematten und so weiter auf eine Service-Wäsche in den Waschsalon. Dann stürzte ich mich in die Arbeit, nahm mir einen Raum nach dem anderen vor.
Meiner Kalkulation nach gab es fünf normale Räume – die zwei
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