Girl
du solltest es mit der Diät nicht übertreiben. Ich habe gerade erst in einem Artikel über Leute gelesen, die zu viel in zu kurzer Zeit abnehmen wollten. Nachher gehen sie meist sofort wieder auf wie ein Hefekuchen. Überhaupt, ich denke, ein paar Pfund mehr würden dir bestimmt gut stehen.«
Das war eine Kriegserklärung. Caroline gab sich einen Ruck und schaffte es irgendwie, ihre Kopfschmerzen für die Dauer einer gezielten Gegenoffensive zu vergessen. Mit unschuldigem Bambi-Blick drehte sie sich zu Mike und sagte: »Wirklich, Darling, ich denke, du hast den bezauberndsten Wohngenossen in ganz London.«
Mike sah sie mit amüsierter Verwunderung an. Aber bevor er etwas sagen konnte, warf Caroline mir mit großen Augen bewundernde Blicke zu und sagte: »Deine Pillen müssen der absolute Traum sein. Wenn man dich so ansieht… alle diese fantastischen Kurven.«
So, so, dachte ich, du hältst mich also für einen schwabbel-hüftigen Volltrottel, im Vergleich zu dem selbst das Michelin-Männchen noch wie Kate Moss aussieht. Na warte …
Aber es gab keinen Vergeltungsschlag, weil Mike vorher dazwischen ging. »Ich finde das wirklich großartig, wie gut ihr zwei euch versteht. Es ging mir allmählich ziemlich auf den Wecker, ständig mitanhören zu müssen, wie ihr wie zwei wildgewordene Furien aufeinander losgegangen seid. Ich hoffe, die Dinge laufen auch in Zukunft so prima wie heute Morgen.«
Er lehnte sich mit einem Ausdruck selbstzufriedener Überlegenheit auf seinem Stuhl zurück, schließlich hatte er einen Ausbruch weiblicher Dummheit verhindert. Während er einen Schluck Kaffee nahm, blickte ich in Carolines Augen, und im nächsten Augenblick mussten wir beide lachen.
»Hey! Was ist denn so lustig?« fragte Mike.
»Nicht so wichtig«, sagte ich.
Caroline küsste ihn auf die Stirn und strich ihm durchs Haar: »Zerbrich dir darüber nicht den Kopf, Schatz.«
Wieder mussten wir lachen. Also ehrlich, diese Männer …
24. Mai
Heute war meine Foto-Session bei der ›Mail‹. Es wird eine doppelseitige Bildreportage mit Mode für die Königliche Anlage in Ascot, als ob ich oder der Fotograf oder der Chef der Modeseite, der Stylist, die Maskenbildnerin, ihre Assistentin und der Autor, die bei den Aufnahmen dabei waren, jemals dorthin kämen, geschweige irgendwer von den Lesern.
Den ganzen Tag über musste ich nur Kleider an- und ausziehen, mir überdimensionierte Strohhüte aufsetzen und mir das ständige ›Darling‹ des Fotografen anhören. Es gab ein paar wirklich glamouröse Momente, aber meistens war es bloß eine ziemlich langweilige, harte Arbeit, stundenlanges Warten, bis sie das Licht endlich soweit hatten, Lächeln, bis mir der Kiefer wehtat, und das Bemühen, im Scheinwerferlicht nicht ins Schwitzen zu geraten, aus Angst, das Make-up zu ruinieren.
Das Mädchen von der Maske war früher selbst Model gewesen. Sie sagte, Paulina Porizkova, das Mädchen von Estee Lauder, hatte Modeling mit einem Apfel in einem Stillleben verglichen. Sie polieren dich, sie stecken dich in eine Schale, sie leuchten dich richtig aus, und sie machen die Aufnahmen. Das war’s dann auch schon.
Es war nicht so ganz mein Ding, aber als ich Melanie am Telefon davon erzählte, war sie rasend eifersüchtig. Trotzdem hat sich die Sache für mich gelohnt, weil ich von der Stylistin erfahren habe, dass eine ihrer Bekannten in der Modebranche eine Assistentin sucht, mit der Perspektive, mittelfristig zur eigenverantwortlichen Mitarbeiterin aufzusteigen.
»Sie werden ihr gefallen«, sagte die Stylistin. »Sie steht auf exotische Figuren.«
Die Frau hat mich angerufen. In zehn Tagen habe ich ein Vorstellungsgespräch.
28. Mai
Aus der Serie, Was einem nie erklärt wird, Nr. 147: Steigbügel. In meinen fünfundzwanzig Jahren als Mann habe ich Steigbügel immer für die Dinger gehalten, in die Reiter ihre Füße stecken. Von Unterleibsuntersuchungen hat mir nie jemand was erzählt – wie man auf dem Rücken liegen und seine Füße auf zwei Metallstützen legen muss, während ein Mann in deinen Geschlechtsteilen herumstochert.
Man redet nicht gern über so was, stimmt’s? Ich bin in den vergangenen fünf Monaten alle vier Wochen in Dr. Mandelsons Praxis in die Harley Street gerannt, um nachsehen zu lassen, ob auch alles in Ordnung ist, und in meinem Tagebuch taucht nie was davon auf.
Das würde es auch jetzt nicht, wenn die Sache damit erledigt wäre. Ist sie aber nicht. Bedeutend ist nämlich, dass James und ich uns näher
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