Girl
Monaten einiges mitgemacht. Ich muss Ihnen in aller Aufrichtigkeit die Frage stellen: Sind Sie bereit, all diese Monate im Gerichtssaal noch einmal zu durchleben?«
»Ja«, sagte ich, »das bin ich. Nicht wegen des Geldes. Es wäre zwar schön, aber im Augenblick komme ich auch so gut zurecht. Es ist mehr eine Frage des Prinzips. Beinahe so, als ob ich meinen Namen reinwaschen müsste, zu meinem persönlichen Wohl und zu dem meiner Familie.
Es gab Zeiten, da kam ich mir vor wie die Hauptattraktion in einer Freak-Show. Und alle sollen wissen, dass ich nie ein Freak sein wollte. Ich wollte nie auf die Titelseiten. Ich wollte einfach nur ein alltägliches, stinknormales Leben führen. Und jetzt will ich einfach nur einen Schlussstrich unter meine Vergangenheit ziehen, meinen Prozess gewinnen und mich dann ganz meiner Zukunft widmen.«
Pinkney war begeistert. »Das nenn ich echten Sportsgeist! Wiederholen Sie Ihre Ansprache vor dem High Court, und die Kassen der Gerechtigkeit werden nicht aufhören zu klingeln.«
Bald darauf machte ich mich auf den Heimweg. Pinkney scheint nach wie vor davon überzeugt zu sein, dass wir gewinnen werden, aber der Antwort auf die große Frage sind wir keinen Schritt nähergekommen. Warum gehen sie vor Gericht?
22. Mai
Der arme Mike. Direkt vor seiner Nase passiert so vieles, von dem er absolut nichts versteht. Heute Morgen gab es dafür das perfekte Beispiel. Mike hat eine leise Ahnung, dass Caroline und ich nicht sonderlich miteinander auskommen. Das ist noch gelinde ausgedrückt. Sobald sie und ich in einem Raum sind, bekäme sogar ein Eisbär das Frösteln.
Hin und wieder beklagt Mike sich darüber, zwischen den Fronten zu stehen, und ich versuche ihm dann so schonend wie möglich beizubringen, dass es nicht an mir liegt. Ich kann schließlich auch nichts dafür, dass seine Freundin ein hoffnungslos paranoider Fall ist, dass sie glaubt, jede Frau, die ihren Lover auch nur anschaut, wolle ihn auch gleich ins Bett zerren.
Jedenfalls blieb Herzchen Caroline letzte Nacht bei uns. Sie und Mike waren bis in die frühen Morgenstunden aus gewesen. Da es Sonntag war, kamen beide erst nach eins die Treppe runtergeschlurft, während ich bis dahin bereits im Fitnessstudio gewesen und frisch geduscht und umgekleidet nach Hause zurückgekehrt war. Ich saß am Küchentisch, schlürfte eine Tasse Kaffee und fühlte mich wie der junge Morgen, als Batterseas Antwort auf Romeo und Julia aufmarschierte.
Jeder weiß, wie das ist, wenn es am Abend vorher Fisch gegeben hat, irgendetwas Edles wie Lachs oder Forelle. Man kommt am nächsten Morgen die Treppe runter, und auf der Anrichte steht dieses angegammelte Fischskelett, an dem hier und da noch ein Stück hängt. Der Kopf ist noch dran, das Maul weit aufgerissen, und die Augen blicken einem kalt und glasig entgegen. Also man stelle sich zwei Lachsskelette in Trainingsanzügen von Marks & Spencer vor, und man hat einen ungefähren Eindruck von Caroline und Mike an jenem Morgen.
Voller Besorgnis ging ich auf sie zu. »Du Ärmste«, sagte ich zu Caroline. »Du siehst aus, als könntest du einen Kaffee gebrauchen. Muss wohl gestern Nacht ziemlich spät geworden sein?«
Caroline mochte einen Kater von der Größe Belgiens haben, aber sie wusste genau, was ich eigentlich meinte: Du bist eine schmierige, volltrunkene Schlampe, und ich habe schon Autounfallopfer gesehen, die attraktiver aussahen.
Sie tat ihr Bestes zurückzulächeln. »Vielen Dank, liebste Jackie«, sagte sie. »Weißt du, ich finde es ja so vernünftig von dir, abends zu Hause zu bleiben und früh ins Bett zu gehen.«
Aha, sie hielt mich also für eine verkorkste kleine Jungfer, die selbst für Geld keinen abkriegen würde. Das werden wir ja sehen … »Ich vergesse immer wieder, nimmst du Zucker?« fragte ich, wobei ich mich gerade noch zurückhalten konnte hinzuzufügen: »Du siehst nämlich so aus, als ob du in jede Tasse zwei Löffel Schweinefett rührst.«
Es war aber auch egal, weil der Schlag auch so gesessen hatte. »Nein«, sagte sie, »keinen Zucker, aber wenn du vielleicht Süßstoff hättest.«
Ich brummelte mitfühlend vor mich hin, während ich ihr den Kaffee reichte und eine zweite Tasse vor Mike auf den Tisch knallte, der mit dem Glanz väterlichen Stolzes auf dem Gesicht unsere Unterhaltung verfolgt hatte.
Mit meiner freundlichsten, sorgenvollsten und weiblichsten Stimme – das Resultat stundenlanger harter Arbeit in Maggie Princes Kurs – sagte ich: »Ich denke,
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