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Girlfriend in a Coma

Girlfriend in a Coma

Titel: Girlfriend in a Coma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Coupland
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Widerrede. In ein paar Monaten, wenn man anfängt, es ihr anzusehen, werden wir den Leuten erzählen müssen, daß sie Atemprobleme hat und eine Zeitlang keine Besucher empfangen kann.«
    »Aber was ist, wenn sie aufwacht?« fragte ich. Traurige Blicke erstickten diesen Gedanken im Keim. Ich fuhr fort: »Wer wird sich um das Kind kümmern?« Im Geiste sah ich mich mit einem Wickelkind im Arm. Das Wort »Windeln« kam mir in den Sinn, ohne daß ich mich damit anfreunden konnte.
    »Mrs. McNeil« - (o Gott) - »war ganz wild darauf, das Kind zu sich zu nehmen. Wir würden zwar ebensogern einspringen, aber sie ließ sich nicht davon abbringen. Wir werden für den Unterhalt zuschießen, was wir können, und du wirst das ebenfalls tun, sobald du selber Geld verdienst. Du wirst Vater. Du mußt deinen Verpflichtungen nachkommen, so gut du kannst. Aber für den Rest der Welt wird das Baby die ›Nichte‹ oder der ›Neffe‹ von Mrs. McNeil sein, die oder den sie nach einer Familientragödie zu sich nimmt.“
    »Wird es McNeil heißen?“
    »Ja. Macht dir das etwas aus?«
    »Ich, ähhh ...« Ich war zu sehr durch den Wind, um klar und deutlich antworten zu können.
    Der Ton meiner Eltern entsprach ihrem ruhigen Charakter. Wenn sie mit großen Ereignissen konfrontiert wurden, verwandelten sie sich in stumme Statuen. Ich hatte noch gar nicht angefangen, die Neuigkeit zu verdauen; wie bei den meisten Schicksalsschlägen würde die Wirkung sich erst mit einer gewissen Verzögerung bemerkbar machen. »Was ist mit dem Baby - wird sein Gehirn in Ordnung sein? Wird es eine normale Persönlichkeit haben?« fragte ich. Mom sagte: »Das ist noch lange hin, Schatz. Darüber machen wir uns Gedanken, wenn die Zeit gekommen ist.«

  7
Über die Zukunft nachzudenken bedeutet, daß man sich etwas wünscht
    Und die Zeit kam.
    Die Siebziger waren vorüber. Mit ihnen verschwand eine Süße, eine Sanftheit. Die Zeiten, in denen man als Städter noch Naivität vorschützen konnte, waren vorbei. Wir waren mittlerweile abgestumpft; die Welt drehte sich schneller. Karens Honda Civic wurde verkauft. Ihre Kleidung, ihr Schminkzeug, ihre Kinderspielsachen und ihre Tagebücher wurden in Kisten verpackt und in einem modrigen Kellerraum unter der Hintertreppe ihres Elternhauses gelagert. Die Erinnerungen an Karen verflüchtigten sich aus dem Gedächtnis derer, die sie kannten. Sie war nicht länger eine Person, sondern nur noch eine Vorstellung - jemand, der irgendwo in einem Zimmer schlief. Wo ist sie? Ach ... irgendwo, denken wir.
    Die restliche High-School-Zeit floß vorbei wie ein breiter, langsamer, pulsierender Fluß aus kalter Schokoladenmilch. Den schlimmsten Spießrutenlauf im Dezember und Januar hatten wir hinter uns, aber unsere Mitschüler bedachten uns immer noch mit traurigen oder vorwurfsvollen Blicken und wortlosem Gelächter. Wir fünf waren zu daunenbejackten, verwahrlosten Sehenswürdigkeiten geworden - wenn wir zum Parkplatz gingen, reckten sich junge Hälse, um die Killer zu sehen. Diese Gaffer erwarteten bestimmt, daß wir gleich in den Ratskeller eines Country-Clubs einbrechen, uns mit Bourbon vollaufen lassen und mit Hundeblut Botschaften an die Wände klecksen würden. An Schultagen zog ich es vor, zu schwänzen, setzte mich unter den Zedern oberhalb der Feuerwache ins Gras, rauchte und vertrieb mir die Zeit, indem ich an Zweigen herumschnitzte, an das Baby und an Karen dachte und an die Dinge, die sie gesehen hatte. Was bedeutete das alles? Während ich dort saß und versuchte, die Teile des Puzzles zusammenzusetzen, entzündete Hamilton aus dem Labor geklaute Natriumbrocken mit Regenwasser, und Pam kämmte sich wieder und wieder mit einem himmelblauen Plastikkamm die Haare. Besonders die letzten Tage an der High-School waren eine einzige Zeitverschwendung, an die ich mich nur nebelhaft erinnere. Für mich spielte das alles keine Rolle mehr. Zur Schule gehen wurde zu etwas, das ich früher einmal zu tun pflegte. Wendy und Linus schlugen den entgegengesetzten Kurs ein: Sie gingen ganz im Physikunterricht auf und büffelten Gleichungen für Teflon, für die Schwerkraft und die Umlaufbahn des Mondes. Im darauffolgenden Juni machten beide ihren Abschluß mit Auszeichnung, doch derjenige, der ehemals ein vielversprechender Schüler gewesen war - ich -, der rutschte gerade so durch, begleitet von einem unüberhörbaren Tss-tss der Lehrerschaft, die zusehen mußte, wie ihr einstiger Musterschüler sein Leben damit vergeudete,

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