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Girlfriend in a Coma

Girlfriend in a Coma

Titel: Girlfriend in a Coma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Coupland
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Luft.
    »Richard,    du    verschweigst    mir    irgendwas.    Stimmt's, Richard?«
    »Ja.«
    »Darf ich raten? Wenn ich richtig rate, brauchst du es nur zu bestätigen - okay?«
    »Okay.«
    »Karen ist schwanger.«
    Ich drehte mich zu ihr um. »Ja.«
    »In welchem Monat?«
    »Im sechsten.«
    »Dann hatte ich also recht.« Sie hob ein Ahornblatt auf und sah hindurch. »Wie geht es dir dabei?«
    Ich schleuderte einen Stock fort. »Ich bin zu jung, um Vater zu werden. Ich bin zu jung, um irgendwas zu werden. Ich bin siebzehn. Ich wohne sogar noch zu Hause. Es kommt mir irreal vor. Du sagst doch niemandem was, ja?“
    »Ich schweige wie ein Grab.« Sie wischte sich einen Zweig vom Kleid. »Das ist so, als bekämen wir einen Teil von Karen zurück. Sie fehlt mir. Wir reden nie über diese Dinge. Aber sie fehlt mir. Dir auch?“
    »Ja.«
    »Aber wir sprechen es nie aus, oder?«
    »Wohl nicht«, war alles, was ich erwidern konnte. »Mir gefällt es auch nicht, daß wir uns so darüber ausschweigen.« Damals war mir noch nicht klar, daß ein großer Teil des Erwachsenseins darin besteht, sich mit der Sperrigkeit und Fremdheit der eigenen Gefühle auszusöhnen. Die Jugend ist die Zeit, in der man sein Leben für ein imaginäres Publikum inszeniert.
    Die Farben des Waldes verliefen aneinander. Der Himmel verdunkelte sich bis er die Farbe eines tiefen, sauberen Sees annahm. Ich pflückte ein paar spätblühende Rhododendronzweige; das letzte magische Licht der untergehenden Sonne fiel mit einem tropisch violetten Schimmer durch die Blütenblätter.
    Wir fuhren mit dem Datsun ins Krankenhaus, um Karen zu besuchen. Wendy legte ihr Ohr auf Karens Bauch; ich stellte den Rhododendron in die Blumenvase, die sich immer noch neben ihrem Bett befand. Dann verließen wir das Krankenhaus, um in die Stadt zu fahren, zu unserer Abschlußparty im Hotel Vancouver.

    In jenem Sommer arbeitete ich ganztags an einer Chevron-. Tankstelle. Die Zapfsäulen und die Kunden, von denen mich die meisten mit Sicherheit für schwachsinnig gehalten haben, nahm ich kaum wahr. Jener Sommer ist nichts als ein verschwommenes Flirren aus sonnenverbrannten Nacken, klirrenden Bierflaschen im Kofferraum des Datsuns, Heidelbeerenpflücken mit Wendy und Pam und Lagerfeuer am Strand. Das Ende einer Ära.
    Das Krankenhaus war angewiesen, jedem, der sich nach Karen erkundigte, die Auskunft zu erteilen, ihr Zustand sei stabil. Keine Besuche. Niemand stellte Fragen wegen ihrer Verlegung. Im Sommer waren George und ich die einzigen, die Karen noch täglich besuchten. Wenn ich es mal wieder mit der Angst bekam, redete Wendy mit ihrer klaren Wissenschaftlerinnenstimme so lange auf mich ein, bis es wieder ging. Hamilton, Linus und Pam waren nach und nach weggeblieben. Ich nahm ihnen das nicht übel. Um die Wahrheit zu sagen, ging mit Karen von einer Woche zur anderen keinerlei Veränderung vor; so grausam es war - es gab nichts zu sehen oder zu sagen. .
    Außerdem dachte ich oft an Karen. Unser erstes und einziges Mal war so wundervoll gewesen. Ich spulte es wieder und wieder, in meinem Kopf ab, kostete jede Nuance aus, ihre Haut wie Milch auf dem Schnee, den Geruch des Schnees, die gekrauste Baumwolle ihrer Unterwäsche, kühl und trocken. Ich hatte ihr nie gesagt, daß ich sie liebte. Klingt schmalzig, aber solche Sachen wurmen einen. So etwas zählt eben. Am Ende des Sommers war ich sogar zu dem Schluß gekommen, daß ich Karen nicht einmal besonders gut kannte - wie sah es in ihrem Innern aus? Das Geheimnis, das sie umgab, wurde so nur noch unergründlicher. Abends, wenn solche Empfindungen am ehesten über mich hereinbrachen, ließ ich mich gehen und weinte ein bißchen, spazierte im Garten umher und ging dann wieder hinein, wo meine Eltern aufgeräumt Nachrichten schauten. Ich setzte mich dazu und machte zu allem gute Miene.

    Ende August, während ich auf die Geburt wartete, fühlte ich mich, als würde ich die Luft in einem gekenterten Boot atmen - stickig, organisch und unheilschwanger. So konnte das nicht mehr lange weitergehen. George besuchte seine Tochter wie immer jeden Tag. Ich erschien weniger häufig, oft in der Mitte der Woche. George und ich sprachen nie viel miteinander; wenn wir es taten, kamen immer die gleichen nichtssagenden Nettigkeiten dabei heraus, durch die Karens Koma irgendwie nur noch länger zu dauern schien. Manchmal wurde er sentimental und fing an zu flennen. Dann schwelgte er zum Beispiel in Erinnerungen daran, wie Karen bei

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