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Girlfriend in a Coma

Girlfriend in a Coma

Titel: Girlfriend in a Coma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Coupland
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müde aus. Sei vorsichtig, diese Eulenfigur hier habe ich gerade gekauft, die ist zerbrechlich - warte, ich räum' sie mal eben aus dem Weg. Na, was hast du denn da mitgebracht noch mehr Sachen für das Baby? Stell sie neben die anderen Kisten. Das ist wirklich zu freundlich von dir; du solltest dir nicht so viel Mühe machen. Paß auf! Die Eule - ich bring' sie mal eben ins andere Zimmer. Rühr dich nicht vom Fleck. Meine Güte - der Hund bellt sonst nie so. Und jetzt? Du willst bestimmt einen Kaffee. Ich gehe mal eben und mache welchen, bleib einfach hier. Ach, Carol - könntest du bitte deine Schuhe ausziehen? Ich habe heute abend Gäste.“
    »Danke, Lois.«

    Das Kind sollte am 2. September, Karens Geburtstag, per Kaiserschnitt zur Welt kommen. In der Nacht davor stampfte der Regen wie mit Pferdehufen aufs Dach, und dennoch war die Nachtluft warm und einladend. Ich trat hinaus auf die Terrasse und setzte mich auf einen Gartenstuhl unter dem Dachvorsprung. Ich konnte nicht einschlafen; um endlich müde zu werden, hatte ich eine unförmige grüne Chloralhydratpille genommen, die noch von meiner Weisheitszahnextraktion vor ein paar Monaten übriggeblieben war. Dort, auf einem Gartenstuhl unter dem Trommeln des Regens, hatte ich, wie sich zeigen sollten, die einzige Vision meines Lebens. Folgendes trug sich zu: Mein Kopf befand sich im Kern einer funkensprühenden, blendend hellen Aureole, die wie ein Steak brutzelte. Ich stand auf, erhob mich in die Luft und schwebte unter dem Dachvorsprung hervor. Ich wurde ins All hinausgerissen, zum Mond. Dort traf ich Karen, die auf der dunklen Seite des Mondes umherwandelte, nur von Sternen beleuchtet. Sie sah so rein und unverdorben aus in ihrer Skijacke, einer braunen Cordhose und roten Clogs, eine Handtasche in der Hand. Wind strich durch ihr Haar, sogar dort auf dem Mond. Sie zog an ihrer Zigarette und sagte mit einer Stimme, die ich so lange entbehrt hatte: »Hallo Richard. Wie geht's dir, Beb? Schau mich an! Irgendwann mal sind wir alle auf dem Mond herumgelaufen, doch dann haben wir einen Weg nach Hause entdeckt. Nicht wahr?« Ich bejahte.
    Sie sagte: »Ich bin nicht tot, weißt du.«
    Ich sagte: »Ich weiß.«
    »Kümmer dich um Megan, Richard.«
    »Das werde ich.«
    »Es ist einsam hier.«
    »Ich bin auch einsam. Du fehlst mir.«
    »Auf Wiedersehen, Richard. Es ist nicht für immer.«
    »Karen, wo bist du?«
    Sie schnippte ihre Zigarette in einen staubiggrauen Krater von der Größe eine Aluminum-Kugelgrills und sagte, als hätte ich sie nach der Lösung einer simplen Algebragleichung gefragt: »Umpf! Bis zum nächstenmal, Beb.« Dann sprang sie über einen Krater und verschwand hinter seinem Rand.
    Blaugrüne Funken blitzten auf. Ich rieb mir den Kopf. Die Erscheinung war vorüber.
    Ich kehrte auf die Terrasse zurück; der Regen trommelte immer noch aufs Dach. Der Mond. Daheim.
    Aufgedreht und immer noch nicht müde geworden, zog ich Stiefel an und lief zwischen den Bäumen im Garten zu den McNeils hinunter. Ich blieb an einer Stelle stehen, von der aus ich Karens altes Zimmer sehen konnte - das Licht brannte noch. Ich schlich mich näher heran und versteckte mich hinter einem Goldregenstrauch. Vor Karens Mond-Wandgemälde konnte ich Stapel von Babykleidung sehen. Mrs. McNeil kam mit einer Kiste ins Zimmer, blieb stehen, setzte die Kiste ab, ließ sich darauf nieder und seufzte so tief, daß ihr ganzer Körper bebte. Ich hatte sie noch nie in in einer Pose der Erschöpfung gesehen.
    Sie drehte das Licht aus, als sie ging. Es war dunkel; der Regen fiel. Ein Auto schnurrte durch die stille Vorstadt, vorbei an Kellern, an Stereoanlagen und an gelben Straßenlaternen über dem regennassen Pflaster. Ich blieb noch eine Weile dort stehen.
    Dann ging ich wieder nach Hause, zog mich aus und ging schlafen. Um 6:30 weckte mich meine Mutter, um mit mir und Dad zum Lions Gate Hospital zu fahren.

  8
Irdische Traurigkeit
    Von dem Moment an, als unsere Tochter das Tageslicht erblickte, etwa 20 Uhr 20, - 3,3 Kilo schwer, war es zwecklos, so zu tun, als sei sie Mrs. NcNeils »Nichte«. Sie war zu fast hundert Prozent eine zartere, weichere, femininere Ausgabe von mir, so als hätte ich mich mittels Zellteilung verdoppelt. Du lieber Gott, wo waren dabei bloß Karens Gene geblieben? Während des gesamten Geburtsvorgangs zeigte Karen keinerlei Anzeichen für das Aufflackern einer höheren Hirnfunktion - um das wir alle insgeheim gebetet hatten. Wie konnte eine Frau so etwas

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