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Girlfriend in a Coma

Girlfriend in a Coma

Titel: Girlfriend in a Coma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Coupland
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übersäuert an. Langsam gingen wir den hallenden Korridor hinunter und betraten Karens Zimmer, wo ein kleines Radio »Heart of Glass« von Blondie und dann einen Song von den Smiths spielte. Auf ihrem Bett lag ein blauer Chenilleüberwurf. »Alles in Ordnung, Megan«, sagte ich. »Du brauchst keine Angst zu haben. Wir haben dich alle lieb.«
    Obwohl Mom sie extra herausgeputzt hatte, brach Karens Anblick einem das Herz. Sie hatten versucht, Karen mit Grundierung, einem Tupfer Rouge und einem neuen, von einem Haarreifen gekrönten Haarschnitt so natürlich wie möglich herzurichten. Sie trug eine lavendelfarbene Strickjacke. Da ich Karen seit 1979 nicht mehr geschminkt gesehen hatte, durchzuckte mich ein heftiges Gefühl der Einsamkeit. Bei Megan schien sich der anfängliche Schock beim Anblick ihrer Mutter schnell wieder zu legen. Zuerst zeigte sie keine Reaktion. Ich stand still, während Megan sich Karens Bett näherte. Sie legte ihre Hand auf die Stirn ihrer Mutter und strich mit der anderen über Karens Haar und berührte ihre hohlen Wangen. Sie wischte mit den Fingern über Karens Lider. »Sie ist geschminkt«, sagte Megan. »Schlafende Leute sind nicht geschminkt.« Sie befeuchtete ihre Finger und versuchte, Karens Wangen und Stirn sauberzuwischen, womit sie Moms Bemühungen wieder zunichte machte. Als sie fertig war, sprang sie aufs Bett und legte sich neben Karen. Karen befand sich gerade in einer Schlafphase, ein Rasseln drang aus ihrem Mund. Megan betrachtete aufmerksam ihr Gesicht. »Wie lange ist sie schon so?«
    »Seit dem 15. Dezember 1979.“
    »Wer besucht sie?«
    »George«, sagte ich. »Jeden Tag. Und ich komme einmal die
    Woche sonntags her.«
    »Hmm.«
    Megan sah ihre Mutter an. »Sie macht mir keine Angst, weißt du.«
    »Na, das wäre ja auch noch schöner.«
    Megan fuhr erneut mit den Fingern über Karens Gesicht, dann sagte sie zu mir: »Kann ich von jetzt an sonntags mitkommen, Dad?“
    »Abgemacht.«
    »Sehe ich dir ähnlicher oder Mom?“
    »Deiner Mutter«, antwortete ich erleichtert. Megan inspizierte Karens Gesicht aus der Nähe, als versuche sie, das Wasserzeichen auf einer gefälschten Banknote zu entdecken. Ein kleiner Seufzer der Zufriedenheit entfuhr ihr, und dann legte sie sich neben sie und ruhte sich aus. Ich ging nach draußen, um frische Luft zu schnappen, völlig verblüfft, daß Megan alles so gelassen hingenommen hatte. Ich dachte darüber nach, wie das Leben hätte sein sollen und was statt dessen daraus geworden war. Von jenem Tag an fuhr Megan jeden Sonntag mit mir zum Inglewood Lodge.
     
    In den 80ern schlugen Hamilton und ich oft ziemlich über die Stränge. Eines Morgens wachte ich davon auf, daß Hamilton mir verkrustetes Koks aus den Nasenlöchern pulte. Wir führten ein wirklich tolles Leben.
    Ich erholte mich ein wenig vom Börsenkrach des Jahres 1987 und rackerte mich weiterhin im Finanzdistrikt der Stadt mit dem Verkauf von Baisse-Aktien ab. Das war etwa die Zeit, als ich zu trinken anfing. Meine Kollegen waren maschinengebräunte Männer um die Fünfzig, mit Goldnuggetringen und Kraushaarfrisuren geschmückt, die um 5 Uhr morgens in ein Telefon-Headset logen. Du lieber Himmel - dieses betrügerische, alberne Gezerre, das wir da in unseren trostlosen, gipsfarbenen Büroparzellen am Telefon inszenierten. Ein kleiner Skandal wegen einer gefälschten Probebohrung setzte meiner Börsentätigkeit ein Ende. Von meinen Ersparnissen kaufte ich ein kleenexschachtelartiges Haus in North Vancouver, in das ich allein einzog. Megan sah ich nur selten - schlechter Vater. Ich nahm mir dieses erste Haus vor, spachtelte, schmirgelte und strich es und verkaufte es dann mit fünfundzwanzigtausend Dollar Gewinn. Das wurde zum System: Ich kaufte das schlechteste Haus in einem guten Block, arbeitete und trank an den Wochenenden wie ein Besessener, um es auf Vordermann zu bringen und dann mit anständigem Profit zu versilbern. Mein Motiv war nicht Habgier, sondern ich tat einfach alles Erdenkliche, um mich nicht aufrichtig mit mir selbst auseinanderzusetzen zahllose Momente des Schweigens, hastig mit Wodka und Renovierungsplänen übertüncht. Karen besuchte ich zwei-, dreimal die Woche. Im Inglewood trank ich Wodka mit Orangensaft aus einer Safttüte.

  10
Eines Tages wirst du dich mit dir selbst auseinandersetzen
    Nach ein paar Jahren wurde mir klar, daß ich mir ein massives Alkoholproblem eingehandelt hatte - eine Methode, die endlos langen Tage des Lebens herumzubringen. Ich

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